Die Razzia kurz nach dem Nikolaustag 2022 war ein Paukenschlag: „Reichsbürger“ wollten wohl die Bundesregierung stürzen, sie sollen Tote in Kauf genommen haben.
Mehr als ein Jahr nach der groß angelegten Anti-Terror-Razzia gegen sogenannte Reichsbürger hat die Bundesanwaltschaft mehrere Anklagen auf den Weg gebracht. Wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte, geht es um 27 Verdächtige. Sie wirft diesen unter anderem Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Die Verfahren sollen vor den Oberlandesgerichten in Frankfurt am Main, München und Stuttgart geführt werden. Diese müssen entscheiden, ob sie die Anklage zulassen und einen Prozess ansetzen.
Am 7. Dezember vergangenen Jahres hatte die Bundesanwaltschaft in mehreren Bundesländern, Österreich und Italien 25 Frauen und Männer festnehmen lassen. Darunter waren die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sowie ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Als einer der Rädelsführer gilt der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß.
Der Kreis der Verdächtigen ist weitaus größer und wächst im Zuge der Ermittlungen stetig. Viele von ihnen sitzen in Untersuchungshaft.
Das OLG Frankfurt bestätigte, dass die Anklageschrift gegen neun mutmaßliche Mitglieder – darunter auch Malsack-Winkemann und Heinrich XIII. Prinz Reuß – und eine mutmaßliche Unterstützerin eingegangen ist. In einem üblicherweise einige Monate dauernden Zwischenverfahren soll den Angeschuldigten zunächst die Möglichkeit gegeben werden, sich zu den Vorwürfen zu äußern, hieß es. Bestehe danach der hinreichende Verdacht einer Straftat, werde die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Ähnlich äußerten sich auch das OLG München und das OLG Stutgart, in den betreffenden Anklageschriften ging es um acht und neun Beschuldigte.
Wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft mitteilte, werden in Frankfurt vor allem die vermutlichen Rädelsführer angeklagt, in Stuttgart der militärische Arm und in München die übrigen mutmaßlichen Mitglieder.
Die Beschuldigten sollen vorgehabt haben, das politische System in Deutschland zu stürzen. Sie hätten bewusst Tote in Kauf genommen. Strukturen für eine eigene Staatsordnung hätten sie in Grundzügen schon ausgearbeitet, hatten die Ermittler damals erklärt. Als Staatsoberhaupt hätte Heinrich XIII. Prinz Reuß fungieren sollen. Auch Ressorts seien schon verteilt gewesen: So hätte die ehemalige Richterin Malsack-Winkemann für Justiz zuständig sein sollen.
Gezielt Soldaten und Polizisten angesprochen
Zentrales Gremium der Gruppe sei ein „Rat“. Mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs hätte eine Übergangsregierung die neue staatliche Ordnung in Deutschland verhandeln sollen. „Zentraler Ansprechpartner für diese Verhandlungen ist aus Sicht der Vereinigung derzeit ausschließlich die Russische Föderation.“
Ein „militärischer Arm“ sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen „beseitigen“, hieß es. Für den Umsturz seien gezielt Soldaten und Polizisten angesprochen worden, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Ein weiterer Plan war den Ermittlungen zufolge, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen.
„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene im vergangenen Jahr rund 23.000 Anhänger zu (2021: 21.000). Bei mehr als fünf Prozent – rund 1250 Menschen – handele es sich um Rechtsextremisten. Als gewaltorientiert gelten demnach etwa 2300 der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“.