Diskriminierung im „Selection Fitness“?
Muslima soll vor Gericht ihren Glauben beweisen
Aktualisiert am 28.04.2025 – 18:28 UhrLesedauer: 7 Min.
Gegen das Fitnessstudio Selection Fitness läuft ein Gerichtsverfahren. Die Klägerin, eine zum Islam konvertierte Herzogenratherin, wirft den Betreibern Diskriminierung vor. Vor Gericht sollte sie beweisen, dass sie eine „echte Muslima“ ist.
Das Selection Fitness in Herzogenrath ist Lara Seilers allererstes Fitnessstudio gewesen. Mehr als zehn Jahre lang trainierte sie dort regelmäßig. Mit 18 Jahren meldete sie sich an – damals trug sie noch kein Kopftuch. Heute, mit 29 Jahren, sieht sich Seiler als Klägerin in einem laufenden Gerichtsverfahren gegen das Studio wieder. Sie wirft den Betreibern Diskriminierung vor – der Fall wurde bis Montag, 28. April, vor Gericht verhandelt. Das Urteil in dem Fall wird am 19. Mai erwartet.
Lara Seiler, die eigentlich anders heißt, ist mit 26 Jahren zum Islam konvertiert. Ein Jahr später hat sie für sich die Entscheidung getroffen, auch das Kopftuch zu tragen. Probleme habe es deswegen in ihrem Alltag keine gegeben, sagt sie. Familie und Freunde hätten zwar ein paar Fragen gehabt, hätten der heute 29-Jährigen aber auch viel Verständnis entgegengebracht. Was Diskriminierung ist, wusste die studierte Soziologin zwar; wie demütigend sie sich anfühlen kann, habe sie allerdings erst gelernt, als sie das Herzogenrather Fitnessstudio mit Kopftuch betrat.
„Es war ein Nike-Sport-Kopftuch, ganz so wie das der berühmten Boxerin und deutschen Meisterin im Federgewicht Zeina Nassar“, sagt Seiler. Also ein Kopftuch, das eigens für das Training konzipiert wurde. Normalerweise, sagt sie, werde man beim Betreten des Studios freundlich gegrüßt. „An diesem Tag wurden ich und meine Cousine allerdings nur lange komisch angeschaut.“ Seiler konnte das nicht sofort einordnen. Sie erinnert sich aber an ein mulmiges Gefühl in der Umkleidekabine.
Als sie gemeinsam mit ihrer Cousine in Sportklamotten die Trainingsfläche betrat, kam der Trainer, der vorher nur „komisch geschaut“ hatte, auf sie und ihre Begleiterin zu. Er habe auf ihr Kopftuch gedeutet und laut gesagt, dass sie das ausziehen müsse, dass sie „damit“ nicht trainieren dürfe.
„Das Fitnessstudio war zum Bersten voll an diesem Tag. Alle haben es mitbekommen. Es war superpeinlich“, sagt die Herzogenratherin. Sie fragte, wieso sie nicht im Sport-Hijab trainieren dürfe. Die Antwort, die sie bekommen habe: Weil religiöse Symbole per Hausordnung verboten seien. Um ihr die Hausordnung zu zeigen, habe der Trainer die junge Frau in sein Büro geführt. „Ich lief hinter ihm her und fühlte mich wie eine Aussätzige.“ Während der Trainer die Hausordnung vorlas („Keine religiösen Symbole auf dem gesamten Trainingsgelände“), fiel ihr Blick auf die große Kreuzkette des Mannes, erinnert sich Seiler.
Eine der Frauen, die die Auseinandersetzung zwischen Seiler und dem Trainer mitbekommen hat, ist die 25-jährige Ärztin Silvie S. (Name geändert). Vor Gericht sagt sie, dass sie während der gesamten Auseinandersetzung zwischen Seiler und dem Trainer mit sich gerungen habe. Dass sie überlegt habe, einzuschreiten. Dass sie sich gewundert habe, im Selection Fitness überhaupt eine Frau mit Hijab zu sehen. Schließlich sei auch ihr schon einmal vom selben Trainer das bloße Tragen einer Kapuze untersagt worden. Die Begründung: Man wolle in dem Studio nicht, dass man durch das Fenster „vermummte Frauen“ sehen könne.
Lara Seiler erinnert sich daran, wie der Trainer ihr erklärt hat, dass das Training im Hijab gefährlich sei. Sie könne dadurch einen Hitzschlag erleiden, habe er gesagt. Das konnte Seiler nicht nachvollziehen. Schließlich präge das Bild von Männern in Hoodies mit Kapuze den Kraftbereich unzähliger Fitnessstudios. Die Zeugin Slivie S. bestätigt das. Auch ihr Freund habe dort regelmäßig in Kapuze trainiert, ohne je gemaßregelt worden zu sein. Doch der Trainer habe sich auf keine Diskussion mit Seiler und ihrer Cousine eingelassen. Sie habe den Hijab entweder ausziehen, oder umgehend das Gelände verlassen sollen. Kurz darauf wurde sie nach eigenen Angaben fristlos gekündigt. „Das ist ein öffentlicher Ort, für den ich seit Jahren Mitgliedsbeiträge gezahlt habe, und plötzlich wurde ich weggeschickt wie eine Straftäterin“, erinnert sie sich.
Auch Seilers Cousine Miriam K. (Name geändert) erinnert sich an das Erlebnis. Bei der Zeugenbefragung vor dem Aachener Amtsgericht bestätigt sie den gesamten Vorfall. Ihr zufolge habe der Trainer den beiden jungen Frauen während der Auseinandersetzung noch gesagt: „Wir wollen so ein Klientel hier nicht haben.“ Der Richter fragt Miriam K.: „Wissen Sie, welches Klientel der Trainer damit meinte?“ Miriam K. antwortet: „Leute wie uns.“ Sie wird nach einer kurzen Pause noch deutlicher: „Ausländische Mitbürger“. Miriam K. ist dunkelhäutig und muslimischen Glaubens. Das Kopftuch trägt sie selbst aber nur in der Moschee. Über den Vorfall im Fitnessstudio sagt sie, dass sie geschockt war, allerdings nicht so geschockt wie Lara Seiler. Miriam sagt dem Richter: „Ich bin 38 Jahre alt. Alltagsrassismus kenne ich schon mein ganzes Leben. Ich bin abgehärtet“.