Eigentlich wollte Paula Meier nur zwei Tauben in Pflege nehmen. Doch dann zogen immer mehr Vögel bei ihr ein – mitsamt Windeln, Medikamenten und jeder Menge Überraschungen.
Das weiche Gurren mischt sich mit dem wattigen Knattern der Flügel. Die Flügelschläge werden immer hektischer. Dann schießt eine dunkle Taube nach oben – streift die Sofalehne, fliegt vorbei an einem Kratzbaum und an Familienfotos. Dann stoppt der Vogel abrupt.
Das alles passiert in der kleinen Wohnung von Paula Meier. Sie pflegt ehrenamtlich Tauben: „Xena ist blind. Sie fliegt und hofft, irgendwo zu landen“, erklärt sie den hektischen Taubenflug. Auf der Straße würde der sechs Monate alte Vogel keinen Tag überleben.
Doch in Paula Meiers Zweieinhalbzimmerwohnung in Freital hat das Tier ein Zuhause gefunden – zusammen mit vier anderen Tauben. „Ich päppele die Tauben auf, bis sie wieder ausgesetzt werden können“, sagt die 48-Jährige und streichelt Xena sanft über den Kopf. „Aber manche, wie Xena, bleiben für immer.“
Neben den Tauben leben in Meiers Wohnung auch zwei Katzen. Eine ungewöhnliche Kombination, möchte man meinen. Doch Meier winkt ab. „Du kannst zwar Tauben nicht erziehen – aber die Katzen“, sagt Meier. „Natürlich musste ich auch mal schimpfen, wenn die Pfote hochging.“ Mittlerweile können die Tauben im gleichen Raum fliegen – und die Katzen bleiben unbeeindruckt.
Bis zu 17 Tauben hatte die freie Künstlerin schon gleichzeitig in ihrer Obhut. Doch nur etwa jede fünfte kann später wieder in die freie Wildbahn entlassen werden. Die meisten bleiben dauerhaft in einer der Pflegestationen.
Trotz der vielen Tauben findet man keinen Taubenkot auf Regalen oder dem Sofa. Meier hat entsprechende Vorkehrungen getroffen: Der Sofabezug ist abwaschbar, in der ganzen Wohnung verteilt stehen Desinfektionsmittel. Kranke Tauben tragen außerdem Windeln.
Mit diesen Vorsichtsmaßnahmen hat es Meier geschafft, sich selbst noch nie mit Krankheiten anzustecken, obwohl sie gerade hauptsächlich Tauben aufgenommen hat, die an E.-coli-Darmbakterien erkrankt sind.
Natürlich gibt es auch Taubenkrankheiten, bei denen eine Übertragung durch das Einatmen von aufgewirbeltem, getrocknetem Kot oder Federstaub erfolgen kann. Aus anderen Städten kennt Meier Geschichten, in denen sich Taubenfreunde durch mit Vogelchlamydien infizierte Tiere angesteckt haben. Bei der Masse an Taubenpflegestellen in Deutschland sei das allerdings die absolute Ausnahme.
Solche Berichte haben Meier vorsichtig werden lassen, aber nicht entmutigt. Im Gegenteil: Je mehr sie über die Tiere und ihre Bedürfnisse lernte, desto größer wurde ihr Einsatz. Dabei hätte sie vor anderthalb Jahren noch nicht mal eine Taube auf der Hand gehalten. Dann las sie einen Aufruf der Stadttauben-Iniative Dresden, dass Pflegeplätze für Tauben gesucht würden.
Die Stadt Dresden verfolgt einen anderen Ansatz, um die Taubenpopulation zu regulieren. Mit einem Fütterungsverbot hofft man auf eine Selbstregulation. Die Stadttauben-Initiative Dresden sieht darin keine Lösung, sondern eine Form der Tierquälerei.
Auf Anfrage teilt die Stadtverwaltung mit, dass sie das Engagement der Initiative zwar kenne und schätze. Gefördert werde das Projekt aber nicht. Bei den Stadttauben handle es sich nämlich um Wildtiere, die – wie Spatzen, Raben und andere Vögel – nicht durch die Stadt betreut werden.