Bundeskanzler Friedrich Merz will nicht mehr über den Taurus sprechen. Wird er der Ukraine den mächtigen Marschflugkörper trotzdem liefern?
Es ist ein Satz, der fast untergegangen ist an diesem Montag. Ein Satz, der den Anfang vom Ende einer Debatte markieren könnte, die schon lange schwelt, viele sagen: deutlich zu lange. Liefert Deutschland der Ukraine die Marschflugkörper Taurus?
Der neue Regierungssprecher Stefan Kornelius sitzt an diesem Montag in seiner ersten Regierungspressekonferenz in Berlin. Er verkündet, dass Bundeskanzler Friedrich Merz sich wünsche, dass „weniger über einzelne Waffensysteme“ diskutiert werde. Aus taktischen Gründen, um Russland möglichst lange im Unklaren zu lassen. Das wird später die Schlagzeile der Nachrichtenagenturen und vieler Medien sein.
Der Regierungssprecher sagt aber noch etwas anderes. Er bekräftigt, dass Deutschland die Ukraine natürlich weiter mit Waffen unterstützen werde. Und: „Ich kann im Allgemeinen sagen, dass diese Unterstützung auch das Thema long range fires, also Marschflugkörper mit einer gewissen Reichweite betrifft.“ Da würden „Entscheidungen in den nächsten Tagen getroffen und vorbereitet“.
Marschflugkörper? Also Taurus? Diese Frage bleibt offen, denn genau über den Taurus will die Bundesregierung ja gerade nicht mehr sprechen. Allerdings muss das nicht heißen, dass sie ihn der Ukraine auch nicht liefern will. Noch vor wenigen Monaten hatte nämlich jemand lautstark und wiederholt gefordert, der Ukraine unbedingt Taurus zu liefern, der inzwischen deutlich mehr Einfluss auf diese Entscheidung hat: Friedrich Merz selbst.
Bei aller taktischen Verschwiegenheit der Bundesregierung steht eines fest: Deutschland verfügt über keine anderen Marschflugkörper als den Taurus. Bereitet die Regierung Merz also tatsächlich die Lieferung dieser bis zu 500 Kilometer weit reichenden Waffe vor, nachdem die Ampelregierung von Olaf Scholz das erfolgreich verhindert hatte?
Die Aussagen von Regierungssprecher Stefan Kornelius ließen selbst Bundestagsabgeordnete ratlos zurück, die in der Regel gut informiert sind. In der SPD-Fraktion heißt es, man müsse sich jetzt erst mal selbst schlaumachen, was die Bundesregierung vorhabe. Grundsätzlich seien aber mehrere Szenarien möglich.
Auch der Politikberater Nico Lange hält mehrere Varianten für denkbar, geht aber letztlich von einer Lieferzusage der Merz-Regierung aus: „Ich deute das so, dass die industriellen Vorbereitungen für eine Taurus-Lieferung an die Ukraine beginnen.“ Die Lieferung könnte im Zusammenhang mit einer gemeinsamen europäischen Produktion von neuen Taurus-Waffen stehen, die Deutschland beim Hersteller MBDA in Auftrag geben könnte.
An eine deutsche Finanzierung eines ukrainischen Langstreckenwaffenprogramms, wie manche spekulieren, glaubt Lange hingegen nicht: „Damit hätte man de facto überhaupt keine Kontrolle darüber, was produziert und wie es eingesetzt wird.“
Merz habe im April betont, sagt Lange, eine Lieferung von Taurus nur in europäischer Abstimmung zu erwägen. Da Briten und Franzosen selbst dringend Nachschub für ihre Arsenale bräuchten, seit sie Kiew einen Teil ihrer Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow und Scalp überlassen haben, könnte eine neue Produktionslinie für den Taurus gleich mehrere Probleme auf einmal lösen. Doch auch andere Szenarien seien denkbar: So könnten Briten und Franzosen mit deutschen Taurus ihre Vorräte auffüllen, um im Gegenzug Kiew mit weiteren Storm Shadow und Scalp auszustatten.
Der Oppositionsführer Merz klang anders
„Wir werden hingehalten, es gibt Ausflüchte, es gibt keine präzisen Angaben darüber, was Deutschland eigentlich liefert.“ Das ist ein Zitat von Friedrich Merz zum Taurus. Allerdings aus dem April 2022, als Merz noch Oppositionsführer war und der Kanzler Olaf Scholz hieß.
Es sei richtig, sagte Merz damals RTL und ntv, Transportwege für Waffen geheim zu halten. „Aber wir müssen doch die Öffentlichkeit darüber informieren, was geliefert wird.“ Sonst setze sich die Bundesregierung „ohne Not dem Verdacht aus, dass sie ihre Zusagen nicht einhält“.