Im Zuge des syrischen Bürgerkriegs hat Deutschland fast eine Million Menschen aus dem Land aufgenommen. Mit dem Aus für das Assad-Regime diskutieren Politiker nun über die Folgen für diese Menschen.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD im Bundestag, Dirk Wiese, hält die Ankündigung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, alle Asylentscheidungen für Menschen aus Syrien zunächst zu stoppen, für richtig. „Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dieser Situation vorerst alle Entscheidungen über noch ausstehende Asylanträge von syrischen Staatsbürgern aussetzt, begrüße ich“, sagte Wiese am Montag dem Nachrichtenportal t-online.
Zugleich betonte er, „vorschnelle Ratschläge und Forderungen nach beschleunigten Rückführungen nach Syrien“ seien „nichts als Populismus und in der jetzigen unübersichtlichen Lage fehl am Platz“. Zuvor hatten mehrere Politiker der CSU, darunter auch Parteichef Markus Söder, entsprechende Forderungen erhoben.
Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat warnte derweil vor voreiligen Ableitungen für Deutschland. „Jetzt ist die Zeit der Erleichterung und des Innehaltens“, sagte sie t-online. „Wir sollten die weitere Entwicklung abwarten und einen friedlichen Übergang unterstützen. Denn dann wird es eine langfristige Perspektive geben für alle Menschen in Syrien. Das würde auch Entspannung für die Fluchtbewegungen nach Europa und Deutschland bedeuten.“
Auch FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle sagte, die aktuellen Ereignisse in Syrien seien ein Grund zur Freude bei vielen Menschen und zu „echter Hoffnung auf Frieden und Freiheit“. „Trotzdem ist es aktuell völlig unklar, ob die Ereignisse zu mehr oder weniger Stabilität in der Region führen“, so Kuhle. Deutschland sollte zusammen mit seinen Verbündeten alles daran setzen, in Syrien für eine stabile Ordnung zu sorgen, „damit keine neue große Fluchtbewegung entsteht“. „Mit Blick auf die syrischen Staatsangehörigen in Deutschland ist es zu früh, um konkrete ausländerrechtliche Konsequenzen zu ziehen.“
Die sächsische SPD-Bundestagsabgeordnete, Rasha Nasr, mahnt ebenfalls zu mehr Besonnenheit: „Es ist kurzsichtig und unklug, einen Tag nach dem Sturz des Regimes eine Asyldebatte loszutreten.“ In Syrien drohe ein Machtvakuum, niemand wisse, wohin sich das Land entwickeln werde, so Nasr, die auch Sprecherin der Arbeitsgruppe Migration der SPD ist. „Den Menschen, die in den letzten Jahren bei uns Schutz gesucht haben, jetzt zu sagen, sie müssen das Land verlassen, ist der falsche Weg.“ Der SPD-Abgeordnete Macit Karaahmetoğlu wird noch deutlicher: Dass die Union nur Stunden nach dem Fall von Damaskus „danach lechzt“, syrische Staatsbürger möglichst schnell zurückzuschicken, sei „erschreckend“.
Zuvor hatte Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) in der „Rheinischen Post“ den Stopp der weiteren Aufnahme syrischer Flüchtlinge gefordert. „Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt“, sagte sie. Sollte es irgendwann zu einer Befriedung in Syrien kommen, entfalle für viele Syrer auch „die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland“.
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer entgegnete Lindholz und der Union, um neue Fluchtbewegungen zu verhindern, sei eine „internationale Syrien-Konferenz wichtig und notwendig“. Ziel müsse sei, den Geflüchteten „eine Perspektive zur Rückkehr“ zu geben.
„Es war von Anfang an klar, dass die Aufnahme und Unterstützung der Flüchtlinge aus Syrien eine Hilfe auf Zeit ist“, sagte Meyer. „Der zukünftige Kanzler Merz kann jetzt beweisen, dass er die Merkelsche Flüchtlingspolitik rückabwickelt, einer Syrien-Konferenz zustimmt und den Weg für die Rückkehr der Flüchtlinge ins Auge fasst.“ Die „Belastungsgrenze von Staat und Gesellschaft“ in Deutschland seien „schon lange überschritten“.