In Thüringen haben sich BSW, CDU und SPD auf ein Sondierungspapier für Koalitionsverhandlungen geeinigt. Das trifft in der eigenen Partei auf heftige Kritik.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Gruppe BSW im Bundestag, Jessica Tatti, und der BSW-Bundesschatzmeister Ralph Suikat plädieren in ihrem Gastbeitrag für klare Kante in der Friedenspolitik.
Im Wahlkampf gilt: Es gibt nur noch allerbeste Parteien und allerbeste Politiker, die das Allerbeste für alle wollen. Ist die Wahl vorbei, bleibt oft nicht mehr viel von dem übrig, was vor der Wahl versprochen wurde. Häufig bekommen Wähler den Eindruck, dass es um Posten geht, aber nicht mehr um sie oder ihre Hoffnungen, die sie mit der Wahl einer bestimmten Partei verbunden haben. Katja Wolf und Steffen Schütz sind in Thüringen auf dem besten Weg, das BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht.
Gerne wird behauptet, Sahra Wagenknecht wäre eine Egomanin, die Unerhörtes von der CDU verlangen würde, sie wolle in Wahrheit keine Verantwortung in den Ostländern übernehmen, sondern denke ausschließlich an die Bundestagswahl und ihre schräge Friedenspolitik, aber nicht an Thüringen. Ihr wird sogar unterstellt, sie würde sich zu Unrecht in Thüringer Angelegenheiten einmischen. Mehr noch: Katja Wolf und die BSW-Landtagsfraktion müssten sich von Sahra und der Bundespartei emanzipieren, denn es gehe nur um Thüringen und um sonst nichts. Wirklich?
Mario Voigt will in Thüringen Ministerpräsident werden. Er postet bei X gemeinsame Fotos mit Friedrich Merz und versichert, es gebe nur „eine Union“. Zur allseitigen Information: Es gibt auch nur ein BSW, nicht zwei – es kann kein Thüringer BSW geben, das eine CDU-konforme Außenpolitik mitträgt und die von Friedrich Merz theatralisch beschworenen Grundsätze der Union stützt, die man auf keinen Fall aufgeben könne. Wir sind keine willfährigen Mehrheitsbeschaffer für Voigt. Wir werden nicht vor Merz kapitulieren. Es müsste auch Katja Wolf klar sein: Wenn wir in eine Regierung gehen, dann für die Bürger und die Inhalte des BSW.
Zwei Drittel der Menschen in Ostdeutschland wollen keine US-Raketen-Stationierung in Deutschland. Sie hätte Auswirkungen auf das ganze Land, auch auf Thüringen. Ist es so abwegig, dass man als Landesregierung seine Wähler vertritt? Ist es eine solche Unverschämtheit, dass sich eine Parteivorsitzende für die Versprechen einsetzt, die sie im Wahlkampf gegeben hat? Wir meinen: Es ist die Ehrlichkeit, die Wähler schon lange in der Politik vermissen. Wir stehen hinter Sahra Wagenknecht und ihrer Haltung.
Dass diese klare Haltung akzeptablen Kompromissen nicht im Wege steht, zeigen die Sondierungen mit dem SPD-Mann Dietmar Woidke in Brandenburg. Warum sollte es in Thüringen unmöglich sein, dass Mario Voigt anerkennt, dass Waffenlieferungen den Krieg in der Ukraine nicht beenden werden und dass er der US-Raketen-Stationierung im Sinne der Thüringer zumindest kritisch gegenübersteht? Katja Wolf und die BSW-Landtagsfraktion begehen einen schweren politischen Fehler, wenn sie sich dem transatlantischen Treueschwur eines Friedrich Merz beugen. Mehr noch, sie tappen in eine Falle.
Beim Lesen der Präambel und des Thüringer Sondierungspapiers fragt man sich: Wo sind unsere zentralen Forderungen geblieben? Das lässt für mögliche Verhandlungen über landespolitische Fragen nichts Gutes erwarten. Das ist definitiv nicht das, wofür man all die Anstrengungen und harten Konflikte auf dem Weg aus der ehemaligen Partei bis zur Gründung des BSW auf sich genommen hat. Es ist auch nicht das, wofür sich neue Leute dem BSW angeschlossen haben und wofür sie sich in unserer Partei mit ganzer Kraft engagieren.
Unsere Wähler haben mehr verdient als zwei Seiten voller blumiger Worthülsen, sie haben mehr verdient, als dass man „anerkennt“, dass es auch Menschen wie sie gibt, die gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen sind. Es waren eben nicht ausschließlich, nicht einmal vorrangig landespolitische Positionen oder allein die Persönlichkeiten von Katja Wolf und der anderen BSW-Kandidaten, die zum zweistelligen Wahlerfolg in Thüringen geführt haben. Sahra Wagenknecht und ihre Präsenz im Wahlkampf, unsere Positionen zu Frieden und Corona-Aufarbeitung haben eine maßgebliche Rolle gespielt. Und deshalb muss sich das in einer möglichen Regierung abbilden. Ansonsten muss man es sein lassen – und zwar jetzt.