„Ordnung und Sicherheit im Quartier“
Studie deckt Missstände in Problemvierteln auf
14.11.2024 – 10:15 UhrLesedauer: 3 Min.
Eine Untersuchung in Dresden hat bedeutende Missstände in mehreren Stadtteilen aufgedeckt. Die Zustände reichen von sozialen Konflikten bis hin zu Vandalismus.
In Dresden stehen die Problemviertel des Wohnungsunternehmens Vonovia erneut im Fokus einer umfassenden Untersuchung. Professor Marcel Schöne, Kriminologe und Senator der Hochschule der sächsischen Polizei, hat zusammen mit Masterstudierenden die Zustände in mehreren Dresdner Wohnblöcken analysiert. Dabei fanden sie erhebliche Missstände in den Stadtteilen Prohlis, Gorbitz, Johannstadt und Südvorstadt, die von Drogenkonsum, Vandalismus und Müllproblemen bis hin zu sozialen Konflikten reichen. Der Bericht, dessen Titel „Ordnung und Sicherheit im Quartier“ lautet, hat in der Stadt für Aufsehen gesorgt.
Die Initiative für die Untersuchung kam ursprünglich von Vonovia selbst, Deutschlands größtem Wohnungskonzern, der allein in Dresden zehntausende Wohnungen besitzt. Laut Professor Schöne erhoffte sich das Unternehmen, durch eine wissenschaftliche Begleitung wertvolle Einblicke und Lösungsansätze zu erhalten, um Sicherheit und Ordnung in seinen Vierteln zu verbessern. „Größtmögliche Kooperation und Unterstützung“ sei zugesichert, aber nicht gehalten worden, erklärte Schöne im Interview mit der „Sächsischen Zeitung“.
Im Rahmen der Untersuchung besuchten Schöne und seine Studierenden unter anderem Wohnblöcke entlang der Budapester Straße, an der Gamigstraße und an der Pfotenhauerstraße. Sie dokumentierten vor Ort eine Vielzahl an Missständen. „Vor Ort hat uns dann manchmal der Atem gestockt, wie Menschen dort leben. Da gab es ein Innehalten“, berichtete Schöne im Interview.
Bewohner nutzten beispielsweise ihre Keller oft aus Angst vor Diebstählen nicht mehr, sodass die Räume zunehmend von Wohnungslosen als Schlafplätze verwendet würden. Auch Drogenkonsum und Vandalismus seien in den untersuchten Gebäuden an der Tagesordnung, erklärte Schöne. Die Situation sei für die Bewohner belastend, das Gefühl der Unsicherheit präge den Alltag.
Professor Schöne bemängelt zudem, dass das Unternehmen viele der Missstände eigenständig und ohne Beteiligung der Polizei beseitigen würde. Der Professor kritisiert dieses Vorgehen als problematisch, da es in den offiziellen Statistiken der Polizeibehörden fälschlicherweise so aussehe, als gebe es in den betroffenen Quartieren weniger Probleme. „Für die Polizei sehen die Quartiere dann in den Statistiken so aus, als ob wir dort keine Probleme haben“, erläuterte Schöne. Auf diese Weise werde nicht nur das Ausmaß der Missstände verschleiert, sondern auch der Anreiz zur Veränderung verringert.
Zusätzlich zu den beschriebenen sozialen Problemen wurden auch bauliche Mängel in vielen Gebäuden festgestellt. Defekte Gegensprechanlagen, beschädigte Briefkästen, kaputte Fahrstühle und verwahrloste Fassaden gehören laut der Untersuchung zu den alltäglichen Ärgernissen der Bewohner. Besonders betroffen seien die Keller und Gemeinschaftsflächen, die oft verschmutzt und beschädigt seien.
Die Studie kritisiert nicht nur die Rolle von Vonovia, sondern hebt auch die Verantwortung der Stadt Dresden hervor. So führe die Konzentration von Sozialwohnungen, die durch städtische Belegrechte vergeben werden, zu einer belastenden Zusammensetzung der Bewohnerstruktur in einigen Vierteln. In den analysierten Häusern lebten teilweise bis zu 70 Prozent Menschen ohne deutschen Pass, was das Zusammenleben erschwere und Konflikte fördere, so die Studie. Schöne mahnt, dass durch die gezielte Vergabe von Sozialwohnungen soziale Brennpunkte verstärkt und damit Integration erschwert werde. Dies trage zu einer Problemkonzentration bei und verhindere eine soziale Durchmischung, die Stabilität und Integration fördern könnte.
Vonovia selbst betonte, dass das Unternehmen sich um die Pflege und Ordnung seiner Quartiere bemühe. Der Konzern habe bereits Maßnahmen ergriffen, um das Erscheinungsbild der Gebäude zu verbessern und Vandalismus zeitnah zu beseitigen. Der Sprecher des Unternehmens, Matthias Wulff, erklärte: „Wir haben zu der Studie Daten aus unseren Quartieren zugeliefert, weil wir es begrüßen, dass in schwierigen Stadtteilen geforscht wird.“ Man wolle eine soziale Durchmischung in den Vierteln fördern, auch wenn dies angesichts der bereits bestehenden Strukturen eine Herausforderung darstelle.
Die von Professor Schöne und seinen Studierenden erhobenen Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Situation komplex ist und verschiedene Akteure gefordert sind. Schöne fordert, dass Vonovia ihre Verantwortung als Vermieter und städtischer Akteur ernster nehme und nachhaltiger in die Instandhaltung und Pflege der Gebäude investiere. So liege es auch in der Verantwortung des Unternehmens, Verwahrlosung und Vandalismus entgegenzuwirken und den Mietern das Gefühl von Sicherheit zurückzugeben. „Wenn ein Haus verwahrlost aussieht, dann lädt es zur Verwahrlosung ein“, warnte Schöne. Er plädiert zudem dafür, dass Harmonie und Zusammenhalt nicht durch eine strikte Trennung der Bewohner nach Alter oder sozialem Hintergrund erreicht werden könnten.
Mitte November planen die Hochschule der sächsischen Polizei, Vonovia und die Stadt Dresden ein gemeinsames Treffen, um über mögliche Lösungen zu beraten. Ziel ist es, basierend auf den Erkenntnissen der Studie Maßnahmen zu entwickeln, die die Wohnqualität und die Sicherheit in den betroffenen Vierteln nachhaltig verbessern.