So wird aus der Schuldenfrage auch ein politischer Machtkampf. Doch während sich Washington streitet, wächst am Anleihenmarkt die Nervosität.
Die Schuldenkrise der USA ist nicht nur ein fiskalisches Problem – sie wird zum Katalysator für eine gefährliche Gemengelage aus wirtschaftlichem Stillstand, wachsender Inflation und politischer Instabilität.
Dabei sind die offiziellen Inflationszahlen aktuell noch moderat. Im Frühjahr lag die Teuerungsrate bei 2,3 Prozent. Doch Ökonomen rechnen mit einem Anstieg. Der Grund: Trumps neue Zölle. Sie verteuern Importe, heizen die Inflation an – und treffen vor allem den Mittelstand. Laut einer Umfrage der Universität Michigan erwarten US-Haushalte in den kommenden zwölf Monaten eine Inflationsrate von 6,5 Prozent. Das ist fast dreimal so hoch wie der derzeitige Wert.
Gleichzeitig schwindet das Vertrauen in die geldpolitische Steuerung. Präsident Trump hat in der Vergangenheit offen damit gedroht, Jerome Powell, den Chef der US-Notenbank, zu entlassen. Zuletzt forderte er am Mittwoch dieser Woche, nach Bekanntgabe der im Vergleich zum Vorjahresmonat April moderat gestiegenen Verbraucherpreise, die Fed auf, den Leitzins um einen ganzen Punkt zu senken. „Dann müssten wir viel weniger Zinsen auf fällige Schulden zahlen. So wichtig!!“, schrieb Trump in Großbuchstaben auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social.
Trotz der wiederholten Rufe aus dem Weißen Haus nach einer Zinssenkung hielt die unabhängige US-Zentralbank zuletzt die Füße erneut still und beließ den Leitzins im Bereich von 4,25 bis 4,50 Prozent. Powells Amtszeit endet 2026.
Als möglicher Nachfolger gilt Kevin Warsh – ein ehemaliges Fed-Mitglied und Favorit Trumps. Warsh vertritt eine harte Linie: „Wenn die Fed von Inflation spricht, meint sie in Wahrheit höhere Arbeitslosigkeit – und das ist Unsinn“, sagte er kürzlich in einem Interview mit CNN. Seine Kritik: Die Notenbank sei zu zögerlich, zu dogmatisch, zu wenig mutig.
Dass Trump jemanden wie Warsh an die Spitze der Federal Reserve bringen will, verunsichert die Märkte zusätzlich. Denn es nährt die Sorge, dass die Fed künftig nicht mehr unabhängig agieren könnte, sondern politisch gelenkt wird – mit unkalkulierbaren Folgen für Inflation und die Kapitalmärkte.
Der Schuldenberg ist gewaltig – und die USA sind laut Dalio auf dem Weg in die Krise bereits weit fortgeschritten. Aber sie ist nicht unausweichlich. Es gibt Wege, den Absturz zu verhindern. Aber sie erfordern Mut, Weitsicht und politischen Willen.
Der wichtigste Hebel ist nachhaltiges Wachstum. Wenn das Bruttoinlandsprodukt schneller wächst als die Schulden, sinkt die Schuldenquote ganz von allein. Dazu müsse der Staat klug investieren – in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung. Laut Dimon sollte der Schwerpunkt auf der Förderung von Unternehmen, Bürokratieabbau und angemessener Deregulierung liegen. Eine produktivere Wirtschaft bringe höhere Einnahmen und neue Perspektiven.
Doch Wachstum allein genüge nicht. Auch Ausgabendisziplin sei notwendig. Die ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve und spätere Finanzministerin Janet Yellen sagte dazu: „Wenn ich einen Zauberstab hätte, würde ich die Steuern erhöhen und die Ausgaben für den Ruhestand kürzen.“ Das klinge unpopulär – aber langfristig führe kein Weg an Reformen vorbei, so Yellen.
Gleichzeitig braucht es mehr Einnahmen. Eine gerechtere Steuerpolitik, der Abbau von Subventionen und ein effizienteres Verwaltungssystem könnten helfen, das Defizit zu verringern. Auch die Bekämpfung von Steuerflucht ist entscheidend.
Brian Riedl vom konservativen Thinktank Manhattan Institute warnt: „Wenn wir eine Schuldenkrise vermeiden wollen, müssen bedeutende Reformen in den nächsten Jahren schrittweise eingeführt werden, sonst wird die Schuldenlast zu groß, zu viele Babyboomer sind im Ruhestand, um Reformen aufzunehmen, die Klippe wird zu hoch.“
Schulden sind nicht per se schlecht. Entscheidend ist, wie ein Staat damit umgeht. Wer klug investiert, umsichtig wirtschaftet und offen kommuniziert, kann auch mit hohen Schulden Stabilität schaffen – und das Vertrauen von Bürgern und Investoren dauerhaft sichern.
Die USA stehen an einem Wendepunkt. Noch funktionieren die Märkte. Noch kaufen Investoren amerikanische Staatsanleihen. Noch glauben viele an die Stabilität der größten Volkswirtschaft der Welt. Aber dieses Vertrauen ist nicht unerschöpflich.
Die Gefahr ist real. Schon einmal stand das globale Finanzsystem auf der Kippe: 2008, als die Welt in eine Finanzkrise stürzte. Oder 2012, als Investoren Europas Schuldenstaaten mieden wie toxische Papiere, sagt Ökonom Martin Lück. „In so einer Situation wollen auf einen Schlag alle ihre Staatsanleihen verkaufen, finden aber keine Abnehmer, und der Preis kracht ins Bodenlose.“