Waren die Europäer – auch Bundeskanzler Friedrich Merz – im Umgang mit Trump zu naiv?

Der Bundeskanzler hat etwa beim 28-Punkte-Plan zum Ukraine-Krieg sehr schnell reagiert. Er hat aus einer schlechten Ausgangslage das Mögliche herausgeholt. Auch hier wird wieder deutlich: Die USA betrachten Europa mittlerweile nicht mehr als einen Verbündeten auf Augenhöhe. Daher ist die beste Antwort auf all das ein selbstbewusstes, starkes und stolzes Europa, das zum Beispiel weiter an zusätzlichen Bündnissen mit dem Globalen Süden arbeitet. Die Zeitenwende 2.0 ist damit eingeleitet.

Manche sehen schon ein neues Zeitalter der Raubtiere anbrechen: eine Weltordnung, in der Autokraten und nationalistische Akteure um die Vorherrschaft ringen. Muss auch Europa zum Raubtier werden, um in dieser feindseligen Umgebung zu bestehen?

Die Demokratien auf der Welt stehen unter gewaltigem Druck, insbesondere durch autoritäre und autokratische Kräfte. Deren gemeinsames Ziel ist, die Demokratien für ihre eigenen Zwecke zu unterminieren. Unsere Antwort kann aber nicht lauten: Auge um Auge, Zahn um Zahn, um in der Raubtier-Metapher zu bleiben. Unsere gemeinsamen Werte, der europäische Binnenmarkt und Zusammenhalt sowie humanitäre und soziale Standards waren und sind die Garanten unseres Erfolgs. Wenn wir unser demokratisches Fundament und unseren Rechtsstaat aufgeben, also das, was Europa stark macht, werden wir zum Spielball der Großmächte. Das gilt im Übrigen auch für Errungenschaften wie den Sozialstaat: Ein radikaler Sozialabbau würde nur die Feinde der Demokratie weiter stärken.



Das ist eine knallhart egoistische Formulierung.


SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetović


In ihrer Sicherheitsstrategie werfen die USA den europäischen Staaten vor, Zensur zu betreiben und oppositionelle Kräfte zu unterdrücken. Die Trump-Regierung kündigt „Widerstand“ dagegen an – unter anderem durch die Unterstützung nationalistischer Parteien. Was haben die USA mit Europa Ihrer Auffassung nach vor?

Trump versucht, sein autoritäres Drehbuch, nach dem er die USA in kürzester Zeit schon erfolgreich transformiert hat, auf Europa auszuweiten. Trump und seine Regierung wollen die EU schwächen, um mit einzelnen Staaten lukrativere Deals auszuhandeln. Für Trump ist Europa eine Geschäftszone – und mit einem geschlossenen Machtblock aus 27 Staaten lassen sich schwieriger einseitige „Business“-Deals schließen. Einfacher wäre es mit einzelnen Staaten, die in Verhandlungen weniger entgegenzuhalten hätten. Eine fragmentierte EU wäre für Trump geopolitisch und wirtschaftlich bequemer, er könnte einzelne Staaten leichter gegeneinander ausspielen. Umso wichtiger: Wir dürfen uns als Europa nicht einschüchtern lassen und müssen die EU durch Reformen und Erweiterung vorantreiben.

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