Düstere Prognose
Spaniens Küsten und Strände sterben
Aktualisiert am 13.08.2024 – 08:31 UhrLesedauer: 5 Min.
Vielerorts auf der Welt schwinden Strände, auch in Spanien. Erste Küstenorte treffen drastische Maßnahmen.
Josep hat Tränen in den Augen, als er von der Promenade auf den Strand in Platja d“Aro blickt. „Als Kind habe ich hier gespielt und gebadet, der Strand war damals doppelt so breit“, erzählt der 48 Jahre alte Lehrer und Biker. Die Zeitung „La Vanguardia“ schrieb kürzlich, dass die heute im Schnitt gut 50 Meter breite Platja Gran, der „große Strand“, in den 1980er-Jahren dreimal so breit gewesen sei.
Die Einschätzungen unterscheiden sich, amtliche Zahlen gibt es nicht – aber in einem sind sich am beliebten Badeort an der Costa Brava in Katalonien alle einig: Der Strand wird seit Jahrzehnten „kleiner, kleiner und noch mal kleiner“, wie sich der langjährige Gaststättenbetreiber Aldo ausdrückt.
Bebauung bis zum Strand als Ursache
Das passiert nicht nur in Platja d“Aro. Das Phänomen des „Strandsterbens“ ist auch andernorts zu beobachten. Experten sehen eine Ursache darin, dass Küsten direkt bis zum Strand bebaut wurden. Schützende Dünen gibt es oft nicht mehr. An einer natürlich gebliebenen Uferlinie würde der Strand einfach langsam landeinwärts wandern – was nicht möglich ist, wenn er bis nah ans Meer bebaut wurde.
„Natürlich gebliebene Strände können sich leicht an den Klimawandel anpassen, da sie fähig sind, sich bei steigendem Meeresspiegel zurückzuziehen und zu erhöhen“, sagt Francesca Ribas von der Universitat Politècnica de Catalunya in Barcelona. Wenn sich der Strand aber wegen des vielen Betons nicht verschieben könne, verschwinde er.
Dass Dünen zu Promenaden umgewandelt wurden, sei ein großes Problem, erklärt die Expertin für Küstendynamik. Die Anpassungsfähigkeit der Strände werde eingeschränkt, das Risiko von Überschwemmungen bei Stürmen erheblich erhöht. Auch Staudämme an Flüssen in Küstennähe sowie der Bau von Sporthäfen und anderer Infrastruktur in Küstennähe förderten die Erosion.
Auch in anderen Küstengegenden, etwa in Kalifornien und in Florida, in der Türkei, in Brasilien und an der Goldküste in Australien schwindet der Strand. Ein Faktor ist dabei der Klimawandel. Unter den vom Klimawandel und Anstieg des Meeresspiegels geprägten Bedingungen könnte „die Hälfte der weltweiten Sandstrände bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein“, hieß es in einer in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ vorgestellten Studie.
Die Stadt Barcelona schätzt, dass dort jedes Jahr 30.000 Kubikmeter Sand weggespült werden. Das seien über zehn Prozent des Gesamtbestandes. Ribas ist aufgrund ihrer Tätigkeit bestens informiert, aber auch sie erlebt als Strandgängerin unangenehme Überraschungen: „Ich war erst vor wenigen Jahren total überrascht, als ich an einigen Stränden im Llobregat-Delta südlich von Barcelona, die bis dahin keine Probleme mit Erosion gehabt hatten, eine gewaltige Rückbildung bemerkte.“
Es gibt wissenschaftliche Erhebungen, die die Schwere des Problems mit Zahlen verdeutlichen. Ribas zitiert internationale Studien, wonach im Zeitraum 1984 bis 2015 circa 25 Prozent der Strände weltweit von chronischer Erosion betroffen waren. Das basiere auf Schätzungen anhand von Satellitenbildern.
Das Kartographische und Geologische Institut Kataloniens (ICGC) ermittelte, dass in dieser Region sogar 65 Prozent aller erfassten Strände (319 von insgesamt 489) zwischen 1956 und 2019 geschrumpft seien.
Das Stranddrama unweit von Barcelona
„Einer der bemerkenswertesten Fälle ist Montgat, dessen Strand 90 Prozent seines Sandes verloren hat“, heißt es von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Allein seit Juli 2023 ging dort die Gesamtfläche des Strandes nach amtlichen Angaben von 25.000 auf 6.400 Quadratmeter zurück. Im Frühjahr war die Lage nach einem großen Sturm so schlimm, dass die Ortschaft nahe Barcelona sogar erwog, die Sommersaison abzusagen. „Wir hatten fast nicht einmal mehr Platz, um einen Rettungsschwimmer-Stuhl hinzustellen“, sagt die für Umwelt zuständige Stadträtin Tania González der Zeitung „El Periódico“.
In der Zwischenzeit gab es eine leichte Besserung. Der Strand, der noch vor zehn Jahren rund 50 Meter breit und Anfang des Jahres praktisch völlig verschwunden war, ist aktuell zumindest wieder ein rund zwei Meter dünner Streifen. Für Bürgermeister Andreu Absil ist das kein Trost: „Wir haben alle Strandlokale schließen müssen.“ Auch Yaiza Castro, die 2023 hierherzog, ist nicht zum Jubeln zumute. „Mir wurde damals eine „Wohnung am Strand“ verkauft, das hat nicht mal ein Jahr gedauert“, klagt sie in „El Periódico“. „Der Strand ist weg, der Meeresblick ist zum Glück noch da.“