Das Bürgergeld für Ukrainer steht immer wieder in der Kritik. Doch wie viele beziehen es wirklich und was sind die Kritikpunkte?
Kurz vor der Innenministerkonferenz steht das Bürgergeld für ukrainische Kriegsflüchtlinge erneut in der Kritik. „Es passt nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen und im gleichen Atemzug fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren“, sagte etwa der Innenminister von Brandenburg, Michael Stübgen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Unabhängig davon hat sich die Entscheidung, Flüchtlingen aus der Ukraine sofort Bürgergeld zu zahlen, als grundsätzlicher Fehler erwiesen.“
Doch wie viele Ukrainer beziehen in Deutschland Bürgergeld und um welche Summen handelt es sich? t-online gibt einen Überblick:
Anders als andere Flüchtlinge aus Staaten, die nicht zur EU gehören, bekommen Flüchtlinge aus der Ukraine keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern das normale Bürgergeld in voller Höhe, inklusive Wohngeld und Kinderzuschläge. Ukrainische Flüchtlinge haben gleichzeitig dieselben Rechte, aber auch Pflichten wie deutsche Arbeitssuchende.
Von den 1,1 Millionen Ukrainern, die momentan in Deutschland leben, sind laut Bundesagentur für Arbeit 730.000 im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 15 und 65 Jahre alt. Von diesen gehen 185.000 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. 47.000 sind geringfügig beschäftigt.
Dazu kommen 387.000 sogenannte Unterbeschäftigte, also Menschen, die dem Arbeitsmarkt temporär nicht zur Verfügung stehen, sei es, weil sie gerade in Ausbildung oder einem Integrationskurs sind oder weil sie zum Zeitpunkt der Erhebung erkrankt sind. Insgesamt waren im Mai 198.000 Ukrainer als arbeitssuchend gemeldet, die damit berechtigt sind, Bürgergeld zu beziehen.
Was kostet das Deutschland?
Laut einer Aussage des Finanzministers Christian Lindner kostet das Bürgergeld für Ukrainer Deutschland 5,5 bis 6 Milliarden Euro im Jahr 2024.
Arbeiten in Deutschland die Ukrainer weniger als in anderen Ländern?
Ja, tatsächlich arbeiteten im Jahr 2023 nur 19 Prozent der in Deutschland gemeldeten ukrainischen Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter. Das ist der geringste Wert von allen europäischen Ländern. In Dänemark liegt dieser Wert bei 78 Prozent, in Polen, Tschechien, Schweden, Großbritannien und den Niederlanden bei mehr als 50 Prozent.
Viele Kritiker fordern daher, dass Ukrainer kein Bürgergeld mehr beziehen sollten. Besonders aus den Reihen der Union kommt Kritik. Das Bürgergeld sorge für zu wenige Arbeitsanreize, argumentieren sie. So nannte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen das Bürgergeld einen „Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme“. Aber auch aus der FDP kommt Kritik. So forderte Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der Liberalen, im Gespräch mit der „Bild“, dass neu ankommende Flüchtlinge in Zukunft kein Bürgergeld mehr erhalten sollten. Auch er führt mangelnde Arbeitsanreize als Grund an.
Ein weiterer Punkt, der vor allem vonseiten der Union kommt, ist, dass mit dem Bürgergeld auch aus der Ukraine geflohene Männer im wehrfähigen Alter unterstützt werden. So schrieb der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, in Bezug auf die aktuelle Debatte bei X: „Während es für Kiew angesichts des brutalen russischen Angriffs um alles geht, ducken sich hierzulande viele wehrfähige Ukrainer weg“. In einem Interview mit der Funke-Mediengruppe sagte Frei, dass Bemühungen der ukrainischen Regierung, diese zum Fronteinsatz zu bewegen, durch die „Bürgergeld-Praxis hintertrieben“ würden.
Die Bundesregierung erklärte am Montag an der bisherigen Regelungen festhalten zu wollen.
Der Politikwissenschaftler Dietrich Thränhardt hält diese Erklärung für nicht ausreichend. In einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung führt er aus, dass die geringen Beschäftigungszahlen der ukrainischen Flüchtlinge vielmehr an hohen Einstiegshürden am Arbeitsmarkt liegen würden. So sei es in vielen anderen Ländern deutlich einfacher, zum Beispiel Schul- und Universitätsabschlüsse anerkennen zu lassen als in Deutschland. Überdies wäre das Beharren Deutschlands auf das Erlernen der Sprache vor einem Jobeinstieg kontraproduktiv. Thränhardt verweist auf Dänemark, wo mit Abstand der höchste Prozentsatz der Ukrainer in Beschäftigung ist, dort lege man viel mehr Wert auf einen Spracherwerb während des Arbeitens und mache damit gute Erfahrungen.
Ein weiteres Problem für viele ukrainische Geflüchtete ist das mangelnde Angebot an Kinderbetreuungsplätzen. Da viele Männer in der Ukraine an der Front kämpfen müssen, sind Mütter, die mit ihren Kindern nach Deutschland geflohen sind, auf Betreuungsplätze angewiesen, um eine Beschäftigung aufnehmen zu können. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung fehlten im vergangenen Jahr insgesamt 400.000 Kitaplätze in Deutschland.