Das Internetportal „Nius“ von Ex-„Bild“-Chef Julian Reichelt drängt auf den Fernsehmarkt. Recherchen zeigen, wie sehr das Unterfangen auf seinen reichen Investor angewiesen ist. Und wie es aussehen kann, wenn er die Lust verliert.

Es ist ein einfaches Themenprogramm, mit dem Ex-„Bild“-Chef Julian Reichelt nach seinem Aus beim Axel-Springer-Verlag seit rund anderthalb Jahren zurück ins Scheinwerferlicht drängt: Das Land befinde sich am Abgrund. Ausländer bedrohten die deutsche Idylle. Die Grünen seien schuld. Die CDU sei zu links. Politische Meinungsmache ist der Kern des Onlinemediums „Nius“, das Reichelt seitdem verantwortet. Mittlerweile hat „Nius“ eine bundesweite Fernsehlizenz und weitere Expansionspläne.

Möglich gemacht hat all das, wie t-online vielfach berichtete, der Multimillionär Frank Gotthardt. Nach längerer Geheimniskrämerei steht er inzwischen selbst dazu und räumte vor wenigen Monaten in einem raren Interview ideologische Motive für die Finanzierung des Senders ein. Im Dunkeln blieb dabei aber bislang, wie sehr „Nius“ tatsächlich auf Gotthardt angewiesen ist. Einen Unternehmer, dessen Vermögen in den vergangenen Monaten um Hunderte Millionen Euro geschrumpft ist.

t-online liegen belastbare Informationen zum Investment vor: Geschäftliche Unterlagen des Unternehmenskonstrukts zeigen, dass Gotthardt „Nius“ komplett in der Hand hält – und schon jetzt viele Millionen investiert hat, auf deren Rückzahlung er nach wie vor hofft. Zeitgleich zeigt sich in Gotthardts Heimat, wie es offenbar aussieht, wenn er die Lust an einem Geschäftsvorhaben verliert: Seine regionalen Fernsehsender werden radikal zurückgebaut.

Julian Reichelt: Der frühere „Bild“-Chef hat nun das Sagen bei Gotthardts „Nius“. Sie haben das Projekt gemeinsam entwickelt. (Quelle: Jörg Schüler/imago-images-bilder)

Denn der Unternehmer hat in Rheinland-Pfalz Erfahrungen gesammelt, mit Bewegtbildern Meinung und schlechte Geschäfte zu machen. Dort übernahm er 2014 ein Unternehmen mit Regionalsendern und steckte Geld hinein, um sie weiter auszubauen. Nun, zehn Jahre später, wird gespart bei der DRF Deutschland Fernsehen Produktions GmbH & Co. KG, die Gotthardts Regionalfernsehen für TV Mittelrhein und WWTV produziert. Die hochtrabenden Pläne haben sich nicht erfüllt.

Ein Schicksal, das auf lange Sicht auch der Vius SE & Co. KGaA drohen könnte, der Firma, die unter Reichelt „Nius TV“ in der deutschen Hauptstadt produziert. Branchenkenner sehen dort hohe Kosten und kaum erkennbare Einnahmen. Und die Bereitschaft zu Verlustgeschäften könnte bei dem Mann schwinden, der bisher in den Medien als „Milliardär“ bezeichnet wird: Gotthardt ist kein Milliardär mehr.

Das Vermögen, das der Informatiker vor allem mit der CompuGroup Medical und dort mit Software gemacht hat, ist zusammengeschmolzen. Der Aktienkurs des Unternehmens ist in einem Jahr um mehr als 60 Prozent abgestürzt, Gotthards Vermögen laut Schätzungen des „Manager Magazin“ von 1,4 Milliarden auf 500 Millionen Euro geschrumpft. Er findet sich noch auf Platz 432 der reichsten Deutschen.

Treffen in Koblenz: t-online enthüllte Anfang 2022, dass sich Julian Reichelt und Frank Gotthardt in Gotthardts Nobelhotel trafen, um Pläne zu schmieden. (Quelle: Lars Wienand)

Der Unternehmer gönnt sich dabei teure Hobbys. Sein Fernseh-Engagement in Rheinland-Pfalz hat Millionen verschlungen. 25 Millionen hat er über die Jahre seinem Eishockeyklub Kölner Haie zukommen lassen, schätzt der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nicht zu sprechen von seinen zahlreichen Oldtimern. Fiele dabei ein Hobby-Sender in Berlin weiter ins Gewicht?

Die ersten Millionen waren jedenfalls schon weg, lange bevor „Nius“ seinen ersten Beitrag veröffentlichte: Das sehr kurze erste Geschäftsjahr 2022 schloss die Ende September 2022 gegründete Vius mit einem Fehlbetrag von 2,6 Millionen Euro ab, die Verbindlichkeiten lagen nach drei Monaten bei 5,2 Millionen Euro. „Nius“ mit seiner heutigen Besetzung ging erst im Juli 2023 an den Start.

t-online vorliegende Handelsregisterunterlagen zeigen: Wenige Monate danach schoss Gotthardt 9,4 Millionen in die Kapitalrücklage der Vius SE & Co. KGaA zu. Insgesamt dürfte er inzwischen sogar noch deutlich mehr Geld investiert haben. Die „Zeit“ will aus seinem Umfeld erfahren haben, dass er mittlerweile 50 Millionen Euro in das Portal gesteckt hat. Der nächste Jahresabschluss könnte Aufschluss geben. Seine Firma könnte weitere Zahlungen in die Rücklage geleistet oder Darlehen gegeben haben.

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