Frostige Zeremonie im Schloss Bellevue
So lief die Entlassung von Lindner ab
07.11.2024 – 18:41 UhrLesedauer: 3 Min.
Steinmeier hat Lindner als Finanzminister entlassen. Bei der Zeremonie im Schloss Bellevue war die Stimmung zwischen den ehemaligen Partnern eisig.
Die Bundesregierung hat keine FDP-Minister mehr. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) händigte Finanzminister Christian Lindner, Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihre Entlassungsurkunden aus.
Auf Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ernannte er den bisherigen Kanzlerberater Jörg Kukies (SPD) zum neuen Finanzminister. Verkehrsminister Volker Wissing bleibt als einziges FDP-benanntes Kabinettsmitglied im Amt, trat allerdings aus der Partei aus. Steinmeier ernannte ihn zusätzlich zum Bundesjustizminister.
Die Stimmung beim offiziellen Termin: frostig. Scholz und Lindner vermieden jeden Kontakt. Kein Händedruck, kein Lächeln, kein Wort von Kanzler zu Ex-Minister. Nach drei Jahren enger Zusammenarbeit bleibt zwischen den beiden nur noch kühle Distanz. Lindners Nachfolger Kukies hingegen nickte Scholz später sogar freundlich zu.
Die gegenseitigen Anschuldigungen seit gestern Abend haben dem Verhältnis zwischen Bundeskanzler und Ex-Finanzminister scheinbar endgültig den Rest gegeben: Scholz warf Lindner vor, gesellschaftliche Brandstiftung zu betreiben. Lindner beschuldigte Scholz, er habe von ihm erwartet, seinen Amtseid zu brechen.
Steinmeier hingegen nutzte den Moment, um die Arbeit der Minister in den vergangenen Jahren zu würdigen. An Lindner gerichtet sagte er: „Ihnen war es ein zentrales Anliegen, die Staatsverschuldung unter Kontrolle zu halten.“ Er habe große Anstrengungen unternommen, Haushalte vorzulegen, die der Schuldenregel entsprechen. Bei Buschmann verwies der Bundespräsident auf Initiativen, die der Minister ergriffen habe, „um den freiheitlichen Rechtsstaat veränderten Bedingungen anzupassen“. Stark-Watzinger habe unter anderem „das Bafög reformiert, sodass Studentinnen und Studenten jetzt mehr Förderung erhalten“.
Aber: „In einer Zeit der schweren Krisen“ sei dieses Ziel „innerhalb der Bundesregierung offenbar zunehmend umstritten“ gewesen, fügte Steinmeier hinzu. Unterschiedliche Auffassungen hätten zu unüberbrückbaren Differenzen in der Bundesregierung geführt.
Während Steinmeier redete, blickte Scholz regungslos geradeaus. Erst, als der Bundespräsident den Ministern seinen Dank aussprach, reagierte Scholz dann doch mit einem kurzen Nicken.
Anschließend verlas Steinmeier die Entlassungsurkunden der drei Ex-Minister, und die Ernennungen von Wissing und Kukies. Am Ende gab es noch ein Gruppenfoto, ohne Lächeln, ohne Freundlichkeiten. Steinmeier schloss den Akt mit einem knappen „Vielen Dank“.
Feierlich war die Zeremonie nicht. Dabei hätte der prunkvolle Saal von Steinmeiers Amtssitz durchaus Raum für etwas Festlichkeit geboten. Lag es nur an den politischen Spannungen nach dem Ampelbruch? Oder ist diese distanzierte Atmosphäre bei solchen Verwaltungsakten üblich?
Grundsätzlich schlägt der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten vor, wen er als Minister entlassen oder ernennen soll. Das ist im Grundgesetz, Artikel 64, festgelegt. Der Bundespräsident kann dem Vorschlag nicht widersprechen. Die Zeremonien, die darauf folgen, laufen nach Ritualen ab. Der Bundespräsident hält meist eine kurze Rede, würdigt die scheidenden Minister und überreicht ihnen ihre Urkunden. Auch das Gruppenfoto zum Abschluss gehört dazu.
Bei dem letzten Ministerwechsel war die Stimmung jedoch deutlich besser. Die Beteiligten standen damals in einem anderen Verhältnis: Die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht lächelte Steinmeier bei ihrer Entlassung immer wieder an, das Gruppenfoto mit ihrem Amtsnachfolger Boris Pistorius (SPD) wirkte gelöst.
Auch Steinmeiers Rede war damals feierlich: „Ich danke Ihnen für all das, was Sie als Bundesministerin in Ihren verschiedenen Positionen auf den Weg bringen konnten. Für die Bereitschaft, über so viele Jahre für unser Land, für unsere Demokratie einzustehen.“ In der aktuellen Regierungskrise ist jedoch wohl niemandem nach Feierstimmung zumute.