Die Ampel schaut auf ein Jahr voller Krisen zurück. Extern, aber auch selbstverschuldet. SPD-Parteichef Lars Klingbeil zieht Bilanz, spricht über Einsparungen im Haushalt, die ihm besonders wehgetan haben – und sagt, was sich jetzt ändern muss.

Lars Klingbeil hetzt aus seiner schwarzen Dienstlimousine auf die Straße. In der linken Hand hält er eine abgenutzte Aktentasche, in der rechten sein Handy. Es ist kurz nach neun am Donnerstagmorgen, der SPD-Vorsitzende hat schon eine Reihe von Gesprächen hinter sich. Gerade ist er in einer Abstimmungsschalte mit seinem Wahlkreisteam.

„Tut mir total leid, ich muss hier noch mal ganz kurz sprechen“, sagt er. Dann verschwindet Klingbeil hinter den Glastüren im Bundestag.

Es ist die letzte Sitzungswoche in diesem Jahr. Erst am Mittwoch hat sich die Ampel nach zähen Verhandlungen politisch auf einen Haushalt für das Jahr 2024 geeinigt. Seitdem laufen die Leitungen beim Parteichef der SPD heiß. Immer wieder leuchtet das Display seines Telefons auf. „Im Moment ist es echt noch mal krass viel“, sagt er.

Aber so richtig ruhig war es im vergangenen Jahr eigentlich auch nie.

t-online: Herr Klingbeil, das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu. Was haben Sie politisch gelernt?

Lars Klingbeil: Es war ein Jahr mit wahnsinnig vielen Krisen. Vieles von dem, was passiert ist, war nicht vorhersehbar. Trotzdem würde ich sagen, dass es uns am Ende gelungen ist, vernünftig auf diese Krisen zu reagieren.

Waren nicht auch selbstverschuldete Krisen dabei?

Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, dann blicke ich auf eine Pandemie, den Krieg in der Ukraine, die Terroranschläge der Hamas in Israel. Das waren alles externe Krisen, die uns extrem gefordert haben und auch Folgen für unser Land hatten. Aber es stimmt, wir hatten auch in der Ampelregierung Auseinandersetzungen, die nicht optimal gelaufen sind. Zum Beispiel der Streit um das Heizungsgesetz oder die Kindergrundsicherung. Das sind Dinge, die im kommenden Jahr in der Regierung besser laufen müssen.

Zuletzt gaben fast zwei Drittel der Deutschen an, sehr oder eher unzufrieden mit der Arbeit der Koalition zu sein. Wie überzeugen Sie die Menschen im Land, dass die nächsten zwei Jahre Ampel nicht so werden wie die ersten beiden?

Indem wir unsere Aufgaben erledigen. Dafür sorgen, dass anständige Löhne in diesem Land gezahlt werden, dass es genug bezahlbaren Wohnraum und ausreichend Kitaplätze gibt. Wenn die Ampel geräuschlos und vernünftig Probleme löst, dann wird das mit den Umfragen auch besser.

Aber von geräuschlos kann doch bislang in der Ampel keine Rede sein?

Deshalb sage ich ja, es muss anders werden. Es ist zum Beispiel ein wichtiges Signal, dass wir beim Haushalt diese Woche eine politische Einigung hinbekommen haben. Trotz der unterschiedlichen Positionen der drei Parteien. Das zeigt, es geht, wenn alle wollen.

Im November hatte das Verfassungsgericht Ihre Haushaltspläne für verfassungswidrig erklärt. Für 2023 mussten Sie nachträglich die Notlage erklären, 2024 wird der Bund vorerst mit einem Übergangshaushalt zurechtkommen müssen. Können Sie die Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürger verstehen?

Ich verstehe jede Verunsicherung, die in den vergangenen drei Jahren durch vielfältige Krisen gewachsen ist. Natürlich hätte ich es deshalb gut gefunden, wenn wir in diesem Jahr auch im Parlament noch den Haken an den Haushalt bekommen hätten. Jetzt haben wir aber eine politische Verständigung, das ist gut und gibt erst mal Planungssicherheit für alle. Und wir werden das gleich im neuen Jahr zügig im Parlament abschließen.

Olaf Scholz sagte auf dem SPD-Parteitag vor einer Woche, es werde keinen Abbau des Sozialstaats geben. Sie hingegen wenige Tage später, dass Sparleistungen von allen erbracht werden müssten. Wer hat am Ende recht behalten?

Beides ist richtig. Die SPD hat in den Verhandlungen dafür gekämpft, dass nicht bei Alleinerziehenden oder bei Rentnerinnen und Rentnern gekürzt wird. Aber natürlich mussten sich alle drei Parteien bewegen. Ich bin ganz ehrlich: In diesem Kompromiss sind auch Sachen drin, die mir wehtun.

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