Eine „Show der Eitelkeiten“ wirft Lanz der Ampel vor – und verschwendet damit nur Sendezeit, sagt ein Völkerrechtler. Bei Nordkorea und Gaza gibt es auch Streit.

Mit diesem Vorwurf hatte Markus Lanz offensichtlich nicht gerechnet. Knapp 25 Minuten diskutierte der Moderator zu Beginn seiner Sendung am Dienstagabend ausführlich die persönlichen Animositäten in der Ampel. Dann wollte er von dem Völkerrechtler Kai Ambos wissen, wie sehr das der Demokratie schadet – und bekam zu hören: Vielleicht ist ja er – Lanz – das Problem.

Diese Art von Diskussion sei „Boulevard“ und „Kindergarten“ bringe niemanden weiter, meinte Ambos mit Blick auf die Diskussionsführung. „Ich glaube auch nicht, dass Ihre Zuhörer, Herr Lanz, das interessiert.“

Anstatt „atmosphärische“ Probleme der Ampel zu beäugen, sollten lieber konkrete Lösungen etwa für die Krise bei Volkswagen diskutiert werden, forderte der international renommierte Professor für Strafrecht, der Richter am Kosovo Sondertribunal ist. Die persönlichen Befindlichkeiten in der Ampel würden ein „bisschen hochgeputscht von gewissen Medien“, so sein Vorwurf.

Ambos und der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber sahen den Ampel-Zwist bei Lanz gelassen: Sollte die Bundesregierung nichts mehr gemeinsam zustande bringen, müsse es eben vorgezogene Neuwahlen geben. Das seien ganz normale demokratische Prozesse, meinte Ambos. In einem verfrühten Wahlkampf gebe es erst recht keine Lösungen für drängende Probleme, sagte Kristina Dunz vom „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

Lanz sprach von einer „Show der Eitelkeiten“ zwischen dem Regierungschef Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Das gefährde angesichts der Krise bei Volkswagen ganz konkret Jobs.

Womöglich sogar noch sehr viel mehr, als aktuell durch die angedrohten drei Werksschließungen diskutiert werden, warnte der Branchenkenner Stefan Bratzel. Durch die Folgen für die VW-Zulieferer stünden mindestens 200.000 Jobs in der deutschen Autoindustrie zur Disposition.

Mehr noch: Sollte Deutschland nicht endlich bei Innovationen zur Elektromobilität aufholen, sei in fünf, sechs Jahren die gesamte Existenz der einstigen Vorzeigebranche gefährdet, sagte der Experte für Automobil- und Mobilitätsforschung von der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach.

Wo aber diese Innovationskraft herkommen könnte, blieb bei Lanz am Dienstag offen. Denn der Moderator leitete bereits über zu den Soldaten, die Nordkorea in den Ukraine-Krieg entsandt hat. Faber, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, sah darin eine mögliche Wende: „Wenn diese Truppen an Kampfhaltungen teilnehmen, dann ist das für mich der Kriegseintritt Nordkoreas.“

„Das muss man ein bisschen differenzieren“, bremste der Völkerrechtler Ambos. Entscheidend sei, ob das nordkoreanische Regime seine Soldaten an der Front noch kontrolliere oder ob die jungen Männer vollständig in die russischen Streitkräfte eingebunden seien.

Ambos: „Und wie stehen wir dann da, als Deutschland“

Faber forderte, die Ukraine besser auszurüsten als bislang. „Demokratien sollten auch besser bewaffnet sein als die Diktaturen, die sie überfallen“ – oder als angreifende Terrororganisationen, sagte der FDP-Politiker mit Blick auf Hamas und Israel. Dass Faber, der auch Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist, die Militärschläge Israels im Gaza-Streifen als insgesamt „zurückhaltend und schonend für die Zivilbevölkerung“ bezeichnete, sorgte in der Runde bei „Markus Lanz“ für hitzige Debatten.

Angesichts von über 40.000 Toten und mehr als 90.000 Verletzten im Gaza-Streifen würden auch in Deutschland die meisten Völkerrechtler an der Verhältnismäßigkeit der israelischen Militärschläge zweifeln, sagte Ambos (diese Zahlen waren von der von Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, aber auch von den Vereinten Nationen genannt worden). Klar war für den Juristen: In Gaza wird das humanitäre Völkerrecht verletzt und „es gibt vielleicht einen Genozid.“

Von außen sei es aber schwer zu beurteilen, welche Militäroperationen möglicherweise völkerrechtswidrig waren, gab der Professor von der Universität Göttingen zu bedenken. Denn selten werde ein Genozid von den Tätern derart akribisch dokumentiert wie die Shoah in der Wannseekonferenz. Der juristische Ausgang im Falle Israels sei unklar. In zwei, drei Jahren werde der Internationale Gerichtshof ein Urteil fällen: „Und wie stehen wir dann da, als Deutschland, wenn es dazu kommt, dass der IGH sagt: Ja, das ist ein Genozid gewesen.“

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