Schwarz-Rot will viel Geld ausgeben. Woher Union und SPD es nehmen wollen? Bislang offen. Neuer Streit dürfte nicht lange auf sich warten lassen.
Mütterrente, Pendlerpauschale, Agrardiesel-Subvention, dazu Steuersenkungen für die breite Mitte und für Unternehmen, die zusätzlich von Superabschreibungen profitieren sollen: Der schwarz-rote Koalitionsvertrag hält eine ganze Reihe von Vorhaben fest, die für den Fiskus ziemlich teuer werden.
Zwar haben sich Union und SPD mit dem historisch großen Schuldenpaket in Höhe von 500 Milliarden Euro Extra-Geld für Investitionen in die Infrastruktur gesichert. Zudem hat Schwarz-Rot mithilfe der Grünen das Grundgesetz so geändert, dass Ausgaben für die Bundeswehr jenseits der Schuldenbremse laufen, was theoretisch Verteidigungsausgaben ohne Limit ermöglicht, sodass zumindest hier kein Zielkonflikt mit Ausgaben an anderer Stelle droht.
Weil die Grünen aber zugleich darauf bestanden, dass die Infrastrukturmilliarden ausschließlich für „zusätzliche“ Investitionen reserviert sind, also bislang noch nicht vorgesehene Projekte finanzieren sollen, und weil außerdem ein Teil des Wehretats weiter im regulären Haushalt abgebildet werden muss, ergeben sich durch das große Schuldenmachen eben doch keine allzu großen neuen Ausgabenspielräume.
Einen finanziellen „Verschiebebahnhof“ wird es also nicht geben, im Gegenteil: Die neue Regierung könnte schon bald am selben Punkt stehen wie die alte. Und sich fragen: Wer soll all das bezahlen?
Immerhin: Die Koalitionäre in spe scheinen das erkannt zu haben und haben deshalb eine entsprechende Formulierung in ihren Vertrag eingebaut. Sie findet sich auf Seite 51 von 144. Dort heißt es: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrags stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“ (Mehr zum Koalitionsvertrag lesen Sie hier.)
„Finanzierungsvorbehalt“ – ein sperriges, technisches Wort, das aber noch viel Streit zwischen den Regierungspartnern hervorrufen dürfte, auch wenn sie sich jetzt schwören, die Konfrontation weniger zu suchen als die Vertreter des geplatzten Ampelbündnisses. Flapsig ins Alltagsdeutsch übersetzt heißt es: Schauen wir mal, wie’s läuft, dann sehen wir schon, was wirklich geht. Und vor allem: was nicht.
Tatsächlich nämlich sind viele der Vorhaben nicht günstig, wie eine aktuelle Berechnung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Demnach summieren sich die avisierten Entlastungen auf eine Summe von fast 50 Milliarden Euro, die der Staat erst einmal aufbringen muss:
- Die Superabschreibungen für Unternehmen in Höhe von 30 Prozent auf Investitionen in Anlagen und Ausrüstungen in den nächsten drei Jahren: 7 Milliarden Euro.
- Die Absenkung der Körperschaftsteuer um einen Prozentpunkt pro Jahr ab 2028: 4 Milliarden Euro.
- Die Senkung der Stromsteuer und Netzentgelte: 11 Milliarden Euro.
- Die bereits fix geplanten Anpassungen bei der Einkommensteuer (Pendlerpauschale, Entlastungen für Rentner, Alleinerziehende, Ehrenamtler sowie für Überstundenzuschläge): 7 Milliarden Euro.
- Die Wiedereinführung der Agrardieselsubvention: 0,5 Milliarden Euro.
- Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie auf 7 Prozent: 4 Milliarden Euro.
- Die Ausweitung der Mütterrente: 4 Milliarden Euro
- Sonstige Entlastungen, etwa die Fortfinanzierung des Deutschlandtickets: 12 Milliarden Euro.
Woher dieses Geld kommen soll, wenn es sich nicht über noch mehr neue Schulden auftreiben lässt? Bislang unklar. Denn die Staatskasse ist weitgehend leer. Und sprudelnde Steuereinnahmen sind ob des Handelskriegs mit den USA und der daraus folgenden globalen Rezession kaum absehbar.
Zur Erinnerung: Schon die Ampelregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) war nicht allein deshalb gescheitert, weil sein Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf das Schuldenbremsen-Urteil pochte und zu allen neuen Ausgaben nur zu gern Nein sagte. Die Geldprobleme des Fiskus sind real – weil der Staat viel Geld ausgibt und zuletzt wegen der nur stagnierenden Wirtschaft weit weniger Zuwachs auf der Einnahmenseite verzeichnete, als er bräuchte.
Zuletzt war bekannt geworden, was sich mit dem Kassensturz von Noch-Finanzminister Jörg Kukies (SPD) zu Beginn der Sondierungsgespräche bereits abzeichnete: In der Finanzplanung des Bundes bis 2029 fehlen Schwarz-Rot laut einem Bericht aus dem Finanzministerium eigentlich rund 110 Milliarden Euro. Klar ist vielen in der künftigen Koalition darum schon jetzt: Papier ist geduldig, doch nicht alles wird gehen.
Und so kommt es, wie bei solchen politischen Vertragswerken üblich, am Ende auf die Semantik an, konkret auf die Worte „werden“, „wollen“ und „prüfen“. Was definitiv kommen soll, läuft unter der Formulierung „Wir werden“. Dinge, die sich ein Teil der Koalition wünscht, die aber schwierig umzusetzen sind, halten die Verhandler üblicherweise mit „Wir wollen“ fest. Und was nur geprüft wird, hat in aller Regel kaum Chancen, jemals Realität zu werden.
Das Problem beim schwarz-roten Koalitionsvertrag: Viele der teuren Vorhaben fallen in die erste Kategorie. Im Falle der Mütterrente etwa heißt es auf Seite 20: „Wir werden die Mütterrente mit drei Rentenpunkten für alle vollenden – unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder –, um gleiche Wertschätzung und Anerkennung für alle Mütter zu gewährleisten.“