Bisher stand die Bundesregierung fest an der Seite der Ukraine – nicht nur mit Militärhilfen, sondern auch mit umfangreichen Hilfen für die Geflüchteten. Schwarz-Rot sendet nun ein falsches Signal.

Als Russland am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte und in den folgenden Monaten Millionen Menschen in die Flucht trieb, handelten Deutschland und die EU schnell. Die ukrainischen Kriegsflüchtlinge erhielten ohne Asylantrag einen Aufenthaltsstatus, Zugang zum Arbeitsmarkt – und ab Juni 2022 auch das Recht auf Bürgergeld, sofern sie nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen konnten. Es ist ein Sonderweg, der in der Notsituation schnelle und unbürokratische Hilfe versprach.

Das soll sich nun ändern: Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD plant Schwarz-Rot, neuen Kriegsgeflüchteten, die seit dem 1. April 2025 nach Deutschland kommen, kein Bürgergeld mehr zu geben. Stattdessen sollen die Menschen die normalen Asylbewerberleistungen erhalten, „sofern sie bedürftig sind“. Das soll mit „konsequenten und bundesweit einheitlichen“ Vermögensprüfungen nachgewiesen werden.

Die Kürzung der Hilfen für neue Geflüchtete aus der Ukraine ist ausgerechnet jetzt, da die Ukraine ohnehin massiv unter Druck steht, das falsche Signal. Angesichts großer Herausforderungen muss Deutschland zwar sparen. Doch dies sollte nicht auf Kosten derjenigen geschehen, die nicht nur für ihre eigene Sicherheit kämpfen, sondern die ganz Europas. Im Grunde ist es der erste Schritt hin zum Abschied vom bisherigen deutschen Prinzip der Ukraine-Hilfen – „as long as it takes“ („So lange wie nötig“) –, das von Olaf Scholz (SPD) ausgerufen und von der Union mitgetragen worden war. Und letztlich könnte der schwarz-rote Plan nach hinten losgehen.

Video | „Das ist ein Politikwechselchen“

Quelle: t-online

Zur Erinnerung: Der Beschluss, den ukrainischen Kriegsflüchtlingen in Deutschland direkten Zugang zum Arbeitsmarkt und damit auch zum Bürgergeld zu gewähren, wurde auch mit Stimmen der Union verabschiedet. Zu Recht. Denn es ging damals und es geht heute darum, der Ukraine zu signalisieren: Deutschland steht euch bei, unterstützt euch nicht nur mit Waffen vor Ort, sondern auch eure Geflüchteten, indem es ihnen ermöglicht, sich in Deutschland schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Zugegeben, das hat nicht so funktioniert, wie erhofft. Nur rund ein Drittel der 1,25 Millionen ukrainischen Kriegsflüchtlinge geht einer Arbeit nach. Allerdings steigt die Zahl der Arbeitenden kontinuierlich. Zumal bedacht werden muss: Ein Großteil der ukrainischen Geflüchteten sind Frauen, viele von ihnen zudem hoch qualifiziert, könnten als Ärzte, Apotheker, Ingenieure oder in handwerklichen Berufen arbeiten. Sie scheitern meist jedoch an hohen sprachlichen Anforderungen sowie der Anerkennung ihrer Abschlüsse. Darüber hinaus fehlt es an Kita-Plätzen, weshalb Frauen mit kleinen Kindern kaum eine Arbeit aufnehmen können. Andere Ukrainer erhalten Bürgergeld, weil sie in jenen Integrationskursen stecken, die ihnen letztlich den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen.

Die Integration in den Arbeitsmarkt scheitert daher wohl weniger an mangelnder Motivation als an überbordender Bürokratie. Es ist das Problem, an dem Deutschland in vielen Bereichen krankt.

Mit dem Bruch ihres Versprechens an die Ukrainer bedient Schwarz-Rot zudem eine unbelegte Erzählung: Viele Migranten und auch die Ukraine-Geflüchteten kämen nach Deutschland, um das großzügige deutsche Sozialsystem auszunutzen.

Gänzlich auszuschließen ist der Punkt nicht. Einen statistischen Beweis für den Vorwurf des Missbrauchs des Sozialsystems gibt es aber auch nicht. Die Migrationsforschung hat für das Konzept sogenannter Pull-Faktoren, also dass etwa höhere Sozialleistungen entscheidend für die Wahl des Ziellandes seien, bisher keinen Beleg gefunden. Auch die Verteilung der Ukraine-Geflüchteten in Europa spricht dagegen.

Der Großteil der mehr als vier Millionen Kriegsgeflüchteten hat sich in Deutschland, Polen (rund eine Million) und Tschechien (knapp 400.000) niedergelassen. In den östlichen Nachbarländern erhalten sie aber kaum bis gar keine Sozialleistungen. In Belgien hingegen liegen die Leistungen mit fast 1.300 Euro deutlich höher, doch dorthin sind lediglich 90.000 Ukrainer gezogen. Die Nähe zum Heimatland sowie bereits bestehende soziale Bindungen scheinen eine größere Rolle zu spielen.

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