Die Wirtschaft lahmt, viele Menschen sind verunsichert und halten sich bei großen Anschaffungen zurück. Was lässt sich dagegen tun?

Deutschlands Wirtschaft fällt zurück. Statt eines noch im Frühjahr erwarteten Wachstums rechnet die Bundesregierung für dieses Jahr nun doch mit einem Mini-Minus beim Bruttoinlandsprodukt.

Woran liegt das? Wie lässt sich der Konjunkturflaute begegnen? Und wie passt zu alldem die jüngst viel diskutierte Prämie in Höhe von 1.000 Euro, die Langzeitarbeitslose bekommen sollen, die mindestens ein Jahr wieder arbeiten gehen? Jens Südekum, einer der wichtigsten Ökonomen des Landes, gibt im t-online-Interview Antworten.

t-online: Herr Südekum, die deutsche Wirtschaft schrumpft im zweiten Jahr in Folge. Was ist da los?

Jens Südekum: Die Konjunktur kommt überhaupt nicht aus den Puschen. Eigentlich hatten alle Experten mit einem Aufschwung im Herbst gerechnet, weil die Inflation stark sinkt und parallel die Löhne steigen. Auch meine Prognose im Frühjahr war: Die Leute haben mehr Geld in der Tasche und geben es auch aus, sodass der Konsum die Wirtschaft nach oben zieht. Das passiert aber nicht. Und das belastet viele Firmen, zum Beispiel die Autohersteller.

Viele Menschen scheinen stark verunsichert zu sein – auch wegen der politischen Kakophonie in den wichtigen Fragen: Was ist denn nun mit der Elektromobilität? Kommt das Verbrenner-Aus? Kommt es nicht? Gibt es nächstes Jahr billigere E-Autos aus China zu kaufen? Für viele ist die rationale Reaktion auf diese Fragen, erst einmal noch abzuwarten. Das ist beim Autokauf so, aber in ähnlicher Weise auch bei anderen Anschaffungen, etwa beim Umrüsten der Heizung auf eine Wärmepumpe. Für die Wirtschaft ist das Gift. Die Firmen können sich nur schwer auf einen künftigen Markt einstellen und investieren deshalb weniger als sie müssten.

Jens Südekum: Der Düsseldorfer zählt zu den einflussreichsten Ökonomen des Landes und berät unter anderem das Bundeswirtschaftsministerium in volkswirtschaftlichen Fragen. (Quelle: IMAGO/IPON)

Die Investitionen der Unternehmen sind zuletzt stark gesunken.

Richtig. Das ist ein dramatischer Einbruch. Die letzten Zahlen zeigen einen Rückgang von 4 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Auch dazu trägt die Verunsicherung einen großen Teil bei.

Die Bundesregierung will dem etwas entgegensetzen und hat mit dem Haushalt die „Wachstumsinitiative“ vorgestellt. Was kann dieses Gesetzespaket?

Das Paket ist in der Summe gut und solide. Es enthält eine ganze Reihe von Vorschlägen, die längst überfällig sind, zum Beispiel Arbeitsanreize für ältere Menschen, die länger arbeiten wollen. Aber wir dürfen auch keine Wunder erwarten. Selbst wenn die 49 Maßnahmen eins zu eins umgesetzt würden, wird es vermutlich nicht ausreichen, um die Wirtschaft so stark anzukurbeln, wie es nötig wäre, um aus dem Konjunkturtal zu kommen.

Mehrere Forscher haben errechnet, dass das Paket zu einem kurzfristigen Wachstumsplus von 0,5 Prozentpunkten führen könnte. Eine realistische Kalkulation?

Ja, diese Zahlen erscheinen mir realistisch. In den ersten drei Jahren könnten es auch bis zu 0,9 Prozentpunkte Plus beim Bruttoinlandsprodukt bringen. Aber auch das ist eben kein Wirtschaftswunder.

Teile des Pakets werden inzwischen auch schon wieder hinterfragt, jüngst etwa die Bürgergeld-Prämie von 1.000 Euro für Langzeitarbeitslose, die einen Job aufnehmen und ihn auch nach einem Jahr noch haben. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Ein großes Problem beim Bürgergeld ist, dass für jeden Euro, den ein Bürgergeldempfänger durch Arbeit verdient, das Bürgergeld um einen Euro gekürzt wird. Wer also im Bürgergeld geringfügig arbeiten geht und aufstockt, hat davon nicht mehr Netto in der Tasche. Das ist maximal leistungsfeindlich. Alle sind sich einig: Da muss man was ändern.

Und was hat die Prämie damit zu tun?

Die Prämie ist ein sehr einfacher und deshalb guter Anreiz, trotz des Transferentzugs arbeiten zu gehen. Natürlich könnte man auch das System des Transferentzugs insgesamt anpassen, das aber ist kompliziert und auch teuer. Denn dadurch würden viel mehr Menschen einen Anspruch bekommen und es gäbe viele Mitnahmeeffekte. Die Prämie ist da besser: Sie richtet sich nämlich nur an Langzeitarbeitslose. Wenn sie wirkt, spart der Staat pro Person dadurch locker 25.000 Euro Bürgergeld pro Jahr. Und wenn sie nicht wirkt, wenn die Menschen deshalb doch nicht mindestens ein Jahr im Job bleiben, dann kostet sie umgekehrt auch nichts. Ökonomisch ist das sehr effizient.

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