Kaum hat der Wahlkampf begonnen, sind alle bemüht um Frauen und das Thema Gleichberechtigung. Scholz, Merz und Habeck versuchen derzeit auf unterschiedlichen Wegen, Wählerinnen zu gewinnen. Nur, wie glaubwürdig ist das?
Am Donnerstagabend zeigt sich im Berliner Hotel Adlon, welche Gruppe im Wahlkampf parteiübergreifend besonders wichtig sein wird: die Frauen. Das einflussreiche Netzwerk Frauen100 hat zu einer Veranstaltung geladen; es soll um die Wirtschaft gehen, und etliche Männer aus der ersten politischen Reihe sind erschienen.
In den schmalen Gängen drängt sich die Politprominenz. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist da. Ebenso Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. Finanzminister Jörg Kukies (SPD) hat sogar die Absage seines Vorgängers Christian Lindner zurückgenommen und ist nun an seiner Stelle da. Nur von FDP und Union sind keine Männer gekommen, dafür einige Frauen.
„Das soll hier heute Abend keine Wahlkampfveranstaltung sein“, sagt die Journalistin Clara Pfeffer, die den Abend moderiert, zu Beginn. Ein Lachen geht durch die Menge, Blicke werden getauscht. Im Laufe der folgenden Stunden diskutieren die anwesenden Spitzenpolitikerinnen und -politiker auf Panels über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Frauen in Führungspositionen. Auch über Gewalt an Frauen wird offen zwischen SPD, Grünen, FDP und CDU diskutiert. Es vermittelt einen Eindruck davon, wie es in Koalitionsverhandlungen zugehen könnte, wenn tatsächlich alle um Kompromisse bemüht wären.
Und wenn Frauenthemen auch nach dem Wahltag wichtig blieben.
Seit dem Ampelbruch ist der Wahlkampf inoffiziell eröffnet. Zwar schrauben die Parteizentralen im Hintergrund noch an ihren Kampagnen und Wahlprogrammen. Allerdings hindert das niemanden daran, sich nicht schon jetzt mit ausgewählten Terminen und Themen um Wählergruppen zu bemühen. Dieses Mal stehen offenbar besonders die Frauen im Vordergrund.
Es ist nämlich so: Friedrich Merz ist bei Frauen nicht sonderlich beliebt. Umfragen zeigen das regelmäßig. Der CDU-Chef bemüht sich deshalb besonders um Wählerinnen. Im Konrad-Adenauer-Haus gibt es extra Strategiegespräche dazu. Gleichzeitig wissen auch alle anderen Parteien um das schlechte Abschneiden von Merz bei Wählerinnen. Hier könnte also eine Lücke zu füllen sein. Deshalb versuchen Grüne und SPD, genau das zu tun, während die FDP gerade mit ihrem politischen Überleben ausgelastet ist.
Dabei werben die Spitzenkandidaten und ihre Parteien auf unterschiedlichen Wegen um Frauen. Sie gehen zu Netzwerkveranstaltungen, bespielen Themen zu Gleichberechtigung und machen Fotos. Ganz viele Fotos. Nur, wie glaubwürdig ist alles?
Vor einigen Wochen hat Wirtschaftsminister Habeck in den sozialen Medien ein Foto geteilt. Es zeigt ihn im Regierungsflieger zwischen einer Gruppe von Gründerinnen. Die Bildunterschrift: „Deutschland kann Start-ups. Frauen können Start-ups. Mit einigen der Gründerinnen bin ich auf dem Weg nach Lissabon zum @websummit, der Tech- und #Startup-Konferenz. Zum ersten Mal begleitet mich eine rein weibliche Wirtschaftsdelegation. Was für ein wichtiges Zeichen!“ Die Botschaft dahinter: Seht her, mir ist das Thema Frauenförderung in der Wirtschaft wichtig, ich kümmere mich.
Es dauerte nicht lange, bis Friedrich Merz nachzog. Schließlich soll Wirtschaft im Wahlkampf eines seiner zentralen Themen sein. Auch, wenn es um Frauenförderung geht. Merz teilte also knapp zwei Wochen nach Habeck eine Reihe von Bildern mit Unternehmerinnen auf Instagram. Auf einem von ihnen steht der CDU-Vorsitzende auf einer Treppe inmitten einer großen Frauengruppe. Die Bilderunterschrift: „Wir werden dieses Land ohne Frauen nicht nach vorn bringen. Ganz einfach. Egal wo – sei es in der Wirtschaft, sei es in der Wissenschaft, sei es in den Unternehmen, in der Politik. Egal wo – wir kriegen das ohne Sie nicht hin!“ Es wirkte, als wolle er nicht den Frauen, sondern Habeck damit eine Botschaft senden: Was du kannst, kann ich auch.
Beide Männer wissen: Wahlen gewinnt man auch mit Bildern. Aber reicht das?
Olaf Scholz versucht es gar nicht erst mit Fotos auf Instagram. Stattdessen will der Kanzler auf anderem Wege noch einmal zeigen, wie ernst die SPD die Gleichberechtigung von Männern und Frauen nimmt. Plötzlich tauchen im Bundestag wieder Themen auf der Agenda auf, die zuvor lange beiseitegeschoben wurden. Etwa die Initiative zum Paragrafen 218. Es geht um einen Gesetzesvorstoß von Grünen und SPD zur Aufhebung des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Monaten.