Ist die Kanzlerkandidatenfrage bei den Sozialdemokraten wirklich entschieden? Die Partei behauptet: ja. Doch mancher Experte hegt daran seine Zweifel.

Für beendet wollte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch die Debatte um den Spitzenkandidaten der SPD am Donnerstagabend bei „Maybrit Illner“ erklären. Olaf Scholz sei natürlich der beste Kanzlerkandidat, bekräftigte der SPD-Generalsekretär. Dieser Ansicht sei auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

  • Matthias Miersch, SPD-Generalsekretär
  • Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär
  • Monika Schnitzler, „Wirtschaftsweise“
  • Eva Quadbeck, „RedaktionsNetzwerk Deutschland“
  • Robin Alexander, „Welt“

Dem Niedersachsen wurde von Quadbeck und dem stellvertretenden „Welt“-Chefredakteur Robin Alexander durchaus noch Chancen auf die Kandidatur eingeräumt – was den Grünen einen Strich durch die Rechnung machen könnte, so Alexander. Er sehe eine andere Schwierigkeit für Scholz, so Alexander. „Wenn er wiedergewählt wird, mit wem will er denn regieren?“, fragte der Politikjournalist.

Scholz wolle nicht mehr mit FDP und Grünen in eine Koalition, CDU-Chef Friedrich Merz mache er im Wahlkampf aber bereits schlecht, obwohl dieser die einzige Option für Scholz sei, wenn es um eine künftige Regierungsbildung geht. Ein Dilemma für den Kanzler, so Alexander. „Und ich glaube, das werden die Bürger komisch finden“.

„Die Grünen glauben nicht, Merz schlagen zu können. Die Grünen wollen Scholz schlagen“, meinte der „Welt“-Journalist bei „Illner“. „Mit diesen Grünen ist kein Kurswechsel machbar“, erteilte hingegen Linnemann einer Koalition mit der Partei unter dem Spitzenkandidaten Robert Habeck eine Absage.

Wie oft rufe eigentlich Lindner an, um wieder Bundesfinanzminister zu werden, wollte Illner von Linnemann wissen. „Gar nicht mehr seit dem 6. November. Davor hatte man Kontakt. Aber er muss ja auch erst mal die Situation verarbeiten“, erwiderte der CDU-Generalsekretär.

Missverständnis, Testballon, Machtkampf oder Merz-Faux-pas? CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schließt eine Reform der Schuldenbremse im Bund aus und scheint damit Parteichef Friedrich Merz zu widersprechen. „Mit uns gibt es keine Veränderung im Bund an der Schuldenbremse, weil das unsere tiefe Überzeugung ist“, sagte Linnemann.

Zuvor hatte Merz mit einer scheinbaren Annäherung an die SPD für Aufsehen gesorgt. „Selbstverständlich kann man das reformieren“, hatte er am Mittwoch beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ über die Schuldenbremse gesagt – dann nämlich, wenn eine Reform für Investitionen, Fortschritt und die Lebensgrundlage künftiger Generationen wichtig sei.

„Kehrtwende“, „Plötzlich gesprächsbereit“ hatten Medien daraufhin getitelt. Angeblich nur ein Missverständnis, wenn es nach Linnemann geht. Der CDU-Generalsekretär wollte es in der ZDF-Talkshow so darstellen, als habe Merz hier lediglich von der Schuldenbremse in den Bundesländern gesprochen.

„Die Schuldenbremse, grundsätzlich in Deutschland, wird bleiben im Bund. Wenn die Länder das reformieren wollen, kann man drüber reden“, sagte Linnemann. Er widersprach FDP-Chef Christian Lindner, der Merz „Lockerungsübungen in Richtung SPD und Grüne“ attestiert hatte: „Wir machen keine Lockerungsübungen.“

Auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch musste bei „Illner“ offenbar umdenken. Er habe gedacht, dass Merz von einer Reform auf Bundesebene gesprochen hat, sagte der Chefstratege des Willy-Brandt-Hauses: „Das kann man eigentlich auch nicht anders verstehen.“

Durch eine Reform der Schuldenbremse würden marode Brücken nicht einen Tag früher saniert, argumentierte Linnemann und ging damit auf direkten Konfrontationskurs mit der Ökonomin Monika Schnitzler. „Deswegen wollen Sie es gar nicht tun? Dann dauert es noch viel länger“, warf die oberste „Wirtschaftsweise“ Linnemann vor.

Schnitzler sprach sich für eine Schuldenbremse aus, bei der sichergestellt wird, dass das Geld des Staates auch für das Richtige ausgegeben wird. Das könnte durch gesetzlich festgelegte Mindestquoten für Investitionen in Infrastruktur, Verteidigung und Bildung geschehen, führte die Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität aus. Mit solchen zweckgebundenen Fonds ließe sich auch ein Zustand wie jetzt verhindern, dass die Deutsche Bahn aufgrund des fehlenden Bundeshaushalts 2025 keine Aufträge vergeben könne.

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