RTL feiert sich für seinen Coup, Stefan Raab für fünf Jahre zum Sender gelockt zu haben. Die Senderikone Helmut Thoma sieht das bei t-online gänzlich anders.

Was in den vergangenen Tagen so aus dem Hause RTL schallte, klang vor allem nach Lobeshymnen auf die eigene Arbeit. Das TV-Comeback Stefan Raabs, gepaart mit einer wöchentlichen neuen Streamingshow auf RTL+, löste ungeahnte Euphoriewellen aus. Das sei „Fernsehgeschichte“, frohlockte Programmchefin Inga Leschek in einem Interview am Dienstag und urteilte: „Der Raab-Deal ist das smarteste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Das wird nur schwer zu toppen sein.“

Dass das gigantische Millionenpaket dafür ein zu großes Risiko sei, wies die RTL-Chefin von sich: „Selbst, wenn die 90 Millionen für Raab Entertainment stimmen würden, bliebe immer noch so viel Geld für all die anderen Produzenten und großartigen On-Air-Talents übrig, dass sich da überhaupt niemand Sorgen machen muss.“

Ein Mann, der über Jahrzehnte die Geschicke des Senders leitete, sieht das hingegen anders. Ex-RTL-Chef Helmut Thoma, bekannt für seine klare Kante, sagt im Interview mit t-online: „Wäre ich noch RTL-Chef, hätte ich um Himmels willen niemals so viel Geld für Stefan Raab bezahlt.“



Stefan Raab ist nur zweite oder dritte Wahl. Der aktuelle Wirbel um ihn überschattet diese realistische Einschätzung.


Helmut thoma


Warum er diese Einschätzung trifft, begründet Thoma so: „Die Quoten für seinen Boxkampf waren okay, mehr nicht. Eigentlich hätte es bei dem Rummel, der zuvor um das Comeback von Raab gemacht wurde, deutlich bessere Reichweiten geben müssen.“ Insgesamt sahen 5,9 Millionen Zuschauer den Kampf gegen Regina Halmich am 14. September. Ein starker Wert, aber laut Thoma kein Straßenfeger. Dies zeige, dass sehr wohl die Gefahr bestehe, dass das Interesse an der Figur Raab wieder zurückgeht. „Zumal das Event sündhaft teuer war. Das kostet ja Millionen! Allein Regina Halmich soll 600.000 Euro für ihre Teilnahme verdient haben“, rechnet Helmut Thoma vor.

Für ihn sei Stefan Raab nur „zweite oder dritte Wahl. Der aktuelle Wirbel um ihn überschattet diese realistische Einschätzung.“ Andere Entertainer hätten deutlich mehr Zugkraft, als Beispiel nennt er Thomas Gottschalk – und noch einen anderen, deutlich überraschenderen Namen: Dieter Bohlen. Dieser passe vielmehr zur DNA des Senders, sei über Jahrzehnte einer der wichtigsten Bausteine für den Erfolg von RTL.

Stefan Raab und Thomas Gottschalk: Zwei Entertainment-Giganten von einst? (Quelle: imago/Scherf)

Der Sender werde sich „an Raab schon nicht finanziell verheben, weil er insgesamt durch seinen Mutterkonzern Bertelsmann über genügend Mittel verfügt“. Dieser machte laut Geschäftsbericht 2023 insgesamt gut 20 Milliarden Euro Umsatz – angesichts dessen seien 90 Millionen zu verschmerzen, so Thoma. „Aber ich bezweifle, dass Raab sein Geld wert ist. Zumal RTL einen Fehler macht: Sie schaden damit ihrem erfolgreichsten Entertainer – Dieter Bohlen, der jetzt mit dem Parallelprogramm auf RTL+ leben muss.“

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Tatsächlich läuft Bohlens Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ am Mittwochabend im Fernsehen und zur gleichen Zeit wird die neue Raab-Show „Du gewinnst hier nicht die Million“ auf dem Streamingdienst RTL+ zur Verfügung gestellt. Eine Programmierung, die Helmut Thoma nicht nachvollziehen kann. Man würde damit seiner eigenen Marke schaden, so der Ex-Manager.

RTL sieht das anders. Die Argumentation lautet dort: Eingefleischte DSDS-Fans könnten die neuesten Folgen bereits vor der Ausstrahlung im TV über das RTL+-Streamingangebot anschauen. Und das erklärte Ziel mit der neuen Sendung von Stefan Raab sei es, ein älteres, männliches Publikum hinter die Bezahlschranke von mindestens sechs Euro monatlich zu bekommen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Eine Strategie, die Helmut Thoma zweifeln lässt. „Der Raab dämmert so vor sich hin, schließlich entstammt der einer anderen Zeit. Mit welcher Innovation will der denn bitte im Jahr 2024 für Furore sorgen?“ Streaming sei doch gar nicht sein Metier, so Thoma. Und weiter: „Raab führt RTL nicht in die Zukunft. Wie auch? Wenn ein Moderator so lange weg ist aus der Öffentlichkeit, verliert er den Kontakt zu den Menschen, das Gespür.“

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