Robert Habeck will Kanzler werden, trotz der Krise seiner Grünen. Dass sich die Ampel zerlegt hat und früher gewählt wird, halten einige in der Partei für einen Vorteil.

Robert Habeck hat jetzt keine Zeit zu verlieren, also legt er schon am Tag des großen Knalls einfach los. Es ist der Mittwoch kurz vor Mitternacht. Donald Trump ist gewählt, die Ampel ist geplatzt, und Habeck steht im Bundestag und spricht in eine Handykamera.

„Die Auseinandersetzung über die Zukunft des Landes, die hat jetzt begonnen“, sagt er. Es werde ein „beinharter Wahlkampf“. Aber man werde sich „nicht Bange machen lassen von dem Populismus“, sondern eine „progressive, offensive, nach vorne gerichtete Haltung“ anbieten. „Dieser Abend hat eine große Tragik. Machen wir daraus eine große Kraft“, sagt er. Und: „Ich freue mich darauf, ich baue auf euch.“

Es ist eine Ansprache an die eigene Partei wie für einen Wahlkampfauftakt. Nur dass er an diesem Abend eine wichtige Sache noch immer nicht sagt: Ich mache es, ich will Kanzler werden. Das sagt er zwei Tage später, an diesem Freitag, nachdem er am Vorabend in einem Video einmal mehr damit kokettiert hatte.

Video | Habeck kündigt Grünen-Kanzlerkandidatur an

Quelle: t-online

Abermals in einem Video, angeblich gedreht „bei Freunden in der Küche“, sagt Robert Habeck nach knapp sechseinhalb Minuten den entscheidenden Satz: „Ich bewerbe mich als Kandidat von den Grünen – für die Menschen in Deutschland.“ Und: „Wenn Sie wollen, auch als Kanzler.“

Robert Habeck will den großen Knall als Chance in eigener Sache nutzen. Er will Kanzler werden. Keine falsche Bescheidenheit, er geht aufs Ganze. All in. Es gibt bei seinen Anhängern die Hoffnung, dass die vorgezogenen Neuwahlen ihm nun sogar helfen, auf mehrere Arten. Aber es ist eine heikle Wette.

Da es ohnehin nicht zu übersehen ist, räumt es Robert Habeck in seinem Bewerbungsvideo selbst ein: Das wird alles ganz schön schwierig. „Natürlich kenne ich die Umfragen. Ich weiß, dass die Ampelregierung gescheitert ist. Ich weiß, dass Vertrauen kaputtgegangen ist“, sagt er. „Ich weiß, einen Führungsanspruch muss man sich erarbeiten. Ich will ihn mir erarbeiten.“

Er kandidiere, weil er „nicht hinnehmen mag, dass Schlechtreden und Populismus uns die Zukunftskraft rauben“, sagt er. Man könne „nicht einfach hoffen, es würde alles wie früher“. Wer Lösungen in der Vergangenheit suche, vergehe sich an der Zukunft. Er frage sich, sagt Habeck an anderer Stelle, „welchen Beitrag ich leisten kann, Sicherheit, Selbstvertrauen und Zuversicht zu geben. Wie ich dazu beitragen kann, Sorgen zu lindern“.

Habeck, der Zuversichtsbeauftragte. Habeck, der Problemlöser. Habeck, der Mann für die Zukunft. Es werden grüne Hauptmotive im Wahlkampf sein. In Abgrenzung zum stoischen Mann der Gegenwart, Olaf Scholz. Und dem reizbaren Mann der Vergangenheit, Friedrich Merz.

Die Hoffnung von Habeck-Anhängern ist nun, dass die Ampel-Misere die Sehnsucht der Menschen nach Zuversicht und dem sprichwörtlichen „Erwachsenen im Raum“ größer werden lässt. Einem Kandidaten, der staatspolitische Verantwortung mit seinem Müsli frühstückt oder zumindest schon lange an diesem Bild von sich arbeitet: Robert Habeck.

Mancher erwartet, dass sich die CDU in diesen Tagen verzettelt, dass Friedrich Merz sich zu lange mit Olaf Scholz um ein paar Wochen mehr oder weniger bis zu den Neuwahlen streitet. Und dass die Menschen gerade auf vieles Lust haben, aber nicht auf noch mehr Hauen und Stechen in Berlin.

Der gewaltige Vorsprung einer CDU bei über 30 Prozent, so die grüne Hoffnung, könnte in den nächsten Wochen dahinschmelzen. Weil sich Merz im Eifer des nun noch hektischeren Wahlkampfs im Fettnäpfchentreten übt, mal wieder von „kleinen Paschas“ spricht oder von Frauen, denen man mit Geschlechterparität in einer Regierung „keinen Gefallen“ tue. Der also schlicht Fehler macht, die Wahlkämpfe entscheiden können.

Der Wahlkampf im Schnelldurchlauf zwingt aber auch die Grünen zu etwas: Sie müssen ihre innerparteilichen Debatten abkürzen. Oder anders formuliert: Sie können sich nicht mehr in endlosem Streit über den richtigen Kurs verzetteln, so jedenfalls das Kalkül im Habeck-Lager. Wieder mehr nach links oder doch weiter in die politische Mitte? Hauptsache in einem Stück bis zum Wahltag könnte nun die realistische Antwort lauten.

Share.
Exit mobile version