Die langjährige Weltmeisterin spricht über Karrierehürden, über eine Entschuldigung von Henry Maske – und über Wege aus der deutschen Boxkrise.

56 Kämpfe, 54 Siege, zwölf Jahre lang ungeschlagene Weltmeisterin: Regina Halmich gehört zu den Größten des deutschen Boxsports. Die heute 47-Jährige war eine der führenden Figuren des Boxbooms um die Jahrtausendwende, als Übertragungen bei den Öffentlich-Rechtlichen und bei RTL Einschaltquoten in Millionenhöhe erreichten und Halmich, Henry Maske oder Wladimir und Vitali Klitschko zu internationalen Stars des Sports wurden. Und: Halmich erlangte Berühmtheit und sportlichen Erfolg in einer Zeit, zu der der Begriff „Gleichstellung der Geschlechter“ im Sport – zumal im Boxen – noch ein Fremdwort war.

Das ist lange her. Das deutsche Boxen darbt sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern, große Kämpfe, dazu noch im Free-TV, fehlen seit Jahren. International allerdings ist besonders das Frauen-Boxen stetig populärer geworden, und bei den Männern wartet mit dem anstehenden Schwergewichtsduell von Tyson Fury und Alexander Usyk der nächste Mega-Fight.

Halmich ist auch heute noch aufmerksame Beobachterin des Sports – und sieht die Entwicklungen kritisch. Zum Interview in der t-online-Redaktion erscheint die gebürtige Karlsruherin bestens gelaunt. Ein Gespräch über harte Kämpfe hinter den Kulissen, über eine Entschuldigung von Henry Maske – und über Wege aus der deutschen Boxkrise.

t-online: Regina Halmich, in den USA oder Großbritannien sind heute Frauenkämpfe oft die Attraktion von Box-Events – die US-Amerikanerin Claressa Shields oder die Irin Katie Taylor kassieren Millionenbörsen. Sehen Sie sich als Wegbereiterin?

Regina Halmich: Na ja, ich bin ganz ehrlich: Wenn ich in meinen letzten Kämpfen nicht mehr das gute Geld verdient hätte, würde ich heute wahrscheinlich sagen: Ich habe die Vorarbeit geleistet, und die sahnen jetzt ab (lacht). Aber da ich mir auch ein finanzielles Polster geschaffen habe und es mir gut geht, lebt es sich natürlich besser. Ich muss außerdem sagen: Die Frauen haben es heute immer noch schwer, und ich gönne es wirklich jeder, die Millionen verdient, jeden Cent. Neid war für mich nie eine Option.

2007 haben Sie Ihre große Karriere beendet. Wie hat sich das Frauen-Boxen seitdem entwickelt?

Die Mädels machen eine Riesenshow und vermarkten sich, entweder sind sie supersexy – oder sie pöbeln herum wie Shields und sorgen damit für Aufmerksamkeit. Sportlich ist es noch athletischer geworden, technisch anspruchsvoller. Und es ist vor allem in der Breite gewachsen. Bei mir wurde die Konkurrenz kurz vor meinem Karriereende auch schon größer. Aber jetzt – das ist richtig geiles Boxen.

Die Frage stellt sich: Wäre es für Sie heute schwieriger als damals?

Das sind theoretische Fragen. Nuancen können entscheiden. Mit dem Universum-Boxstall waren wir damals ja schon in Europa die Nummer eins. Ich hätte auch andere Sparringspartnerinnen. Zu meiner aktiven Zeit wurden die von überallher eingeflogen, wenn ich gesagt habe: Da habe ich eine gesehen, mit der will ich trainieren. Die haben gutes Geld dabei verdient. Mit den richtigen finanziellen Mitteln kann man viel machen. Ich würde mich heute auch weiterentwickeln.

Zurzeit wird über ein Comeback vom mittlerweile 57-jährigen Mike Tyson spekuliert, auch andere Größen sind immer wieder mal zurückgekommen. Hat Sie eine Rückkehr nie gereizt?

Nein, ich habe alle Rechnungen beglichen. Die Boxerin, die mir meine einzige Niederlage zugefügt hat (die US-Amerikanerin Yvonne Trevino, Anm. d. Red.), hat mehrere Angebote bekommen und alle abgelehnt. Das ist dann eben so.

Sie sind dem Boxen aber trotzdem verbunden geblieben.

Ich berate einige Boxerinnen und Boxer. Aber das mache ich privat, da gebe ich gerne Tipps, beispielsweise für Vertragsverhandlungen. Mit Nina Meinke (Berliner Boxerin im Federgewicht, Anm. d. Red.), die in der Nacht zu Sonntag in Puerto Rico gegen Superstar Amanda Serrano antritt, bin ich in Kontakt. Aber um ehrlich zu sein: Ich möchte mein Geld in dieser Männerdomäne – und es ist noch immer eine Männerdomäne – nicht mehr verdienen. Natürlich wird meine Leidenschaft immer bleiben. Aber ich will mich damit nicht mehr herumschlagen.

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