Merkels Memoiren

Merkel: Reform der Schuldenbremse für Investitionen wichtig

Aktualisiert am 26.11.2024 – 00:10 UhrLesedauer: 6 Min.

Die Bundeswehr verabschiedet Angela Merkel nach 16 Jahren als Kanzlerin. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)

„Freiheit“ – Die Memoiren der Altkanzlerin lesen sich wie ein Vermächtnis. Doch sie bergen auch Zündstoff.

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel plädiert anders als etliche Unionspolitiker für eine Reform der Schuldenbremse zugunsten von Zukunftsinvestitionen. „Die Idee der Schuldenbremse mit Blick auf nachfolgende Generationen bleibt richtig“, schreibt die 70 Jahre alte ehemalige CDU-Chefin in ihren Memoiren, die sie heute in Berlin vorstellen will. „Um aber Verteilungskämpfe in der Gesellschaft zu vermeiden und den Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung gerecht zu werden, muss die Schuldenbremse reformiert werden, damit die Aufnahme höherer Schulden für Zukunftsinvestitionen möglich wird.“

Deutschland müsse damit „umgehen, dass es durch die hohen unabdingbaren Verteidigungsausgaben zu Konflikten mit anderen Politikbereichen kommen wird“, warnt Merkel. Klar sei, dass Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den Verteidigungshaushalt nicht ausreichten. Um zugleich den Wohlstand zu erhalten, bedürfe es Ausgaben in Forschung und Entwicklung von mindestens 3,5 Prozent des BIP. Zudem sei viel Geld für die Entwicklungszusammenarbeit und die Transformation zum klimaneutralen Leben und Wirtschaften bis 2045 nötig.

Die 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verbietet Bund und Ländern weitgehend, ihre Haushalte mit Hilfe neuer Kredite zu finanzieren. Während für die Länder ein absolutes Verschuldungsverbot gilt, ist dem Bund eine Nettokreditaufnahme in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestattet. Es gibt Ausnahmen von der Schuldenbremse, etwa in bestimmten Notlagen.

Vor der geplanten vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar dürfte der Union Merkels Forderung nicht sehr gelegen kommen, CDU/CSU pochen seit langem auf die Einhaltung der Schuldenbremse. Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz hatte aber kürzlich erklärt, die Schuldenbremse sei ein technisches Thema und selbstverständlich zu reformieren. Die Frage sei, wozu. Offen zeigte er sich für eine Reform, wenn diese etwa Investitionen, dem Fortschritt oder den Lebensgrundlagen der jungen Generation diene.

Die Altbundeskanzlerin stellt ihre Memoiren, die sie zusammen mit ihrer langjährigen Vertrauten Beate Baumann unter dem Titel „Freiheit. Erinnerungen 1954 – 2021“ geschrieben hat, im Deutschen Theater in Berlin vor. Der Abend wird moderiert von der Journalistin Anne Will. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch schreibt zu dem fast 740 Seiten starken Buch, es biete „einen einzigartigen Einblick in das Innere der Macht“.

Anders als zu ihrer 16 Jahre langen Amtszeit lässt Merkel an einigen Stellen des Buches Blicke hinter die Kulissen der Politik zu. Große Überraschungen sind nicht zu finden, ebenso wenig wie Eingeständnisse von gravierenden Fehlern in Bereichen, in denen ihr viel Kritik entgegengeschlagen ist.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Merkel, sie halte keine ihrer Entscheidungen in den verschiedenen Krisen während ihrer Amtszeit für einen klaren Fehler. Sie nehme die Kritik etwa an ihrer Russland-, Flüchtlings-, Corona- und Digitalisierungspolitik zur Kenntnis, aber: „Ich mache keinen Rückzieher von meinen Entscheidungen.“ Sie zeigte sich zudem betrübt, dass oft der Wille fehle, sich in die Umstände ihrer Amtszeit zurückzuversetzen.

Wichtige Passagen des Buches im Überblick:

Merkel warnt: Wenn die demokratischen Parteien annähmen, sie könnten die AfD kleinhalten, „indem sie unentwegt über deren Themen sprechen und sie diese dabei am besten auch noch rhetorisch übertrumpfen wollen, ohne tatsächliche Lösungen für bestehende Probleme anzubieten, dann werden sie scheitern“. Wenn sie es aber schafften, über parteipolitische Grenzen hinweg wirksame Antworten zu entwickeln und umzusetzen, „nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich und im Ton maßvoll, dann belohnen die Bürger sie dafür“. Das gelte auch und gerade für die Flüchtlingspolitik.

„Die übergroße Mehrheit der Menschen hat ein untrügliches Gespür dafür, ob Politiker aus reinem Kalkül handeln, ob sie sich sogar von der AfD gleichsam am Nasenring durch die Manege führen lassen oder ob sie handeln, weil sie aufrichtig daran interessiert sind, Probleme zu lösen“, schreibt Merkel. Ihr wird vorgehalten, die AfD durch ihre Migrationspolitik erst groß gemacht zu haben.

Ein Satz und ein Foto werden für immer mit Merkels Flüchtlingspolitik verbunden sein. Bei ihrer Sommerpressekonferenz im August 2015 betonte sie mit Blick auf die anschwellenden Flüchtlingszahlen, Deutschland sei ein starkes Land. „Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!“ Über die Wirkung dieses Satzes staunt die CDU-Politikerin bis heute. „Hätte mir damals jemand gesagt, dass „Wir schaffen das“, diese drei banalen Worte, mir später wochenlang, monatelang, jahrelang, von einigen bis heute vorgehalten würden, hätte ich ungläubig geguckt und gefragt: Wie bitte?“

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