Reaktionen zum Mindestlohn
„Das ist ein Armutszeugnis“
Aktualisiert am 27.06.2025 – 18:52 UhrLesedauer: 4 Min.
Die Mindestlohnkommission empfiehlt, die Lohngrenze bis 2027 weiter anzuheben. Die Meinungen dazu gehen in den Parteien auseinander. Eine Wirtschaftsweise lobt den Schritt.
Der Mindestlohn in Deutschland soll in zwei Stufen auf 14,60 Euro zum 1. Januar 2027 steigen. Anfang kommenden Jahres soll er bereits auf 13,90 Euro steigen, wie die Mindestlohnkommission in Berlin mitteilte. Der Vermittlungsvorschlag der Kommissionsvorsitzenden Christiane Schönefeld sei einstimmig beschlossen worden.
Heute liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro. Die Mindestlohnkommission entscheidet alle zwei Jahre über die Anpassung. Hier verhandeln Spitzenvertreterinnen und -vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern miteinander. Die Bundesregierung setzt den Beschluss dann per Verordnung um. Der vorangegangene Beschluss über den heutigen Mindestlohn war gegen das Votum der Gewerkschaften mit der Stimme der unabhängigen Kommissionsvorsitzenden Christiane Schönefeld gefasst worden.

Ökonomin Monika Schnitzer, Mitglied im Rat der „Wirtschaftsweisen“, hält die Entscheidung der Mindestlohnkommission für richtig. „Die Erhöhung in zwei Schritten gibt der Wirtschaft die Zeit, sich anzupassen“, sagte sie dem „Spiegel“. „Wir kommen aus einer Phase, in der die Inflation sehr hoch gestiegen ist, während der Mindestlohn nur moderat angehoben wurde. Nun holt man diesen Inflationsanstieg gewissermaßen nach.“
Große Effekte für den Arbeitsmarkt erwartet sie nicht, also etwa einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. „Aber der Mindestlohn zwingt Firmen dazu, produktiver zu werden, also etwa durch effizientere Fertigung an den Kosten zu sparen. Wo das nicht geht, müssen die höheren Kosten an die Kunden weitergegeben werden“, sagte Schnitzer weiter.
Wo dies nicht möglich sei, könnten auch Jobs gestrichen werden, erklärt die Ökonomin. „In Einzelfällen können auch Stellen wegfallen, etwa an der Imbissbude, die weder produktiver werden noch höhere Preise durchsetzen kann.“ In der Breite erwartet sie das aber nicht.
In den im Bundestag vertretenen Parteien wurde die Entscheidung indes gemischt aufgenommen: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann begrüßte die Verständigung der zuständigen Kommission zur Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland. „Es ist gut, dass die Mindestlohnkommission sich einvernehmlich geeinigt hat“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist gelebte Sozialpartnerschaft und zeigt, dass die Kommission funktioniert. Die Lohnfindung bleibt auch in Zukunft Sache der Tarifpartner.“
Der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Dennis Radtke, begrüßte die Einigung der Mindestlohnkommission „ausdrücklich“ und pochte zugleich auf Entlastungen. „Die Erhöhung des Mindestlohns ist ein überfälliger Schritt – sie bringt spürbare Entlastung für Millionen Menschen, die hart arbeiten und bislang trotzdem kaum über die Runden kommen“, sagte Radtke t-online.

Die Entscheidung zeige, dass die Tarifpartner wüssten, was Verantwortung bedeute, sagte Radtke. „Es braucht keine ideologische Einmischung der Politik in die Lohnfindung – was es aber braucht, ist ein verlässlicher Rahmen, in dem gute Arbeit auch gut bezahlt wird.“ Deshalb müsse das Ziel sein, die Tarifbindung zu stärken. Nur mit flächendeckenden Tarifverträgen gelinge es, faire Löhne dauerhaft zu sichern.
Radtke appellierte zugleich an die schwarz-rote Bundesregierung: „Wer kleine und mittlere Einkommen entlasten will, darf nicht bei warmen Worten stehen bleiben. Jetzt braucht es konkrete Entlastungen – bei der Einkommenssteuer, bei der Stromsteuer.“
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sieht in der einvernehmlichen Einigung „ein gutes Signal“. Sie betont: „Löhne gehören in unserer sozialen Marktwirtschaft in die Hand der Tarifparteien. Deshalb bekennt sich der Koalitionsvertrag auch klar zur Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission.“