Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses hält die Debatte über europäische Atomwaffen für gerechtfertigt. Europa müsse auf Augenhöhe mit anderen Mächten agieren. Doch die Idee stößt auf Widerstand.
Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, Robert Brieger, hält die Debatte über nukleare Abschreckung in Europa für gerechtfertigt. „Die Diskussion über europäische Atomwaffen halte ich für legitim angesichts der konfrontativen Haltung Russlands“, sagte der ranghöchste EU-Militärvertreter der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel. Wenn die Europäer „auf Augenhöhe mit anderen Mächten agieren“ wollten, müssten sie ihre Verteidigungsausgaben zudem weiter deutlich steigern, betonte er.
„Der französische Präsident Emmanuel Macron hat eine Art Vergemeinschaftung der nuklearen Kapazitäten seines Landes ins Gespräch gebracht“, sagte Brieger. Das sei ein „sehr schwieriges Feld“, wo eine Lösung in nächster Zukunft unabsehbar sei. „Wir werden in Europa aber nicht darum herumkommen, auch hier Antworten zu finden“, sagte der Österreicher, der vor seinem Amtsantritt in Brüssel 2021 Generalstabschef seines Heimatlandes war.
Pistorius: „Debatte zur Unzeit“
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatten am Mittwoch bei einem Nato-Treffen vor Diskussionen über einen europäischen Atom-Schutzschirm ohne die USA gewarnt. Pistorius sprach von „Debatten zur Unzeit“. Stoltenberg mahnte, die „Glaubwürdigkeit“ der Abschreckung durch US-Atomwaffen in Europa nicht in Frage zu stellen.
Brieger rief dazu auf, die jüngsten Äußerungen des früheren US-Präsidenten Donald Trump als „Ansporn“ zu begreifen. Dieser hatte als aussichtsreichster republikanischer US-Präsidentschaftsbewerber gedroht, er werde im Fall eines Wahlsiegs im November anderen Nato-Ländern im Angriffsfall nicht beistehen, wenn sie nicht genug in die Verteidigung investierten.
„Europa muss seinen Beitrag für die Verteidigung erheblich anheben“, sagte der 67-jährige Brieger. „Dann werden wir auch wieder mehr Vertrauen der großen Partner genießen, insbesondere der Vereinigten Staaten.“
Zwar hätten die Mitgliedsländer ihre Ausgaben bereits „markant erhöht“, insbesondere als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. „Dieses Geld könnte aber noch besser eingesetzt werden“, unterstrich Brieger. Es gehe um mehr gemeinsame Investitionen und die Interoperabilität militärischer Systeme.
Brieger offen für EU-Armee
Im Ukraine-Krieg habe sich gezeigt, dass Länder wie Polen Waffen außerhalb Europas kauften, weil ihnen die Produktion in Europa nicht schnell genug gehe, sagte Brieger weiter. „Das steht der Idee europäischer Autonomie entgegen.“ Sinnvoller wäre es aus seiner Sicht, die wichtigsten militärischen Systeme in Europa selbst zu entwickeln, herzustellen und zu verwenden.
„Es dauert mindestens zehn Jahre, bis eine solche engere Zusammenarbeit Wirkung zeigt – wenn der politische Wille dafür da ist“, bilanzierte Brieger. „Ich schließe auch eine europäische Armee nicht aus, wenn eine solche Integration politisch erwünscht ist. Aber zunächst geht es um die bessere Verzahnung und Zusammenarbeit der nationalen Streitkräfte.“