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Er überschlug sich im Hubschrauber – und schrieb Luftfahrtgeschichte. Jetzt erzählt Rainer Wilke, wie er zum Stuntpiloten wurde – und dabei die Grenzen der Physik testete.

Es gibt weltweit nur eine Handvoll von Piloten, die neben der Berechtigung für bestimmte Hubschraubertypen auch noch eine Lizenz für den Kunstflug haben. Rainer Wilke ist an die Grenzen des physikalisch Möglichen gegangen und ist der erste und einzige Pilot, der den Hubschrauberkunstflug auf einem so spektakulären Level betrieb.

Mit seinen Flugvorführungen für „Red Bull“ auf der BO 105 begeisterte er Zuschauer auf internationalen Events und Flugschauen. Jetzt sind unter dem Titel „Hubschrauberflug am Limit“ die Lebenserinnerungen des heute 76-Jährigen im Motorbuch Verlag erschienen. t-online sprach mit der Fliegerlegende.

t-online: Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal in einem Hubschrauber mitgeflogen sind?

Rainer Wilke: Das war in meiner Heimatstadt Goslar beim Tag der offenen Tür des britischen Militärs, weit vor meiner Schulzeit, als ich noch auf den Schultern meines Vaters saß. Davon existierte ein Foto mit einem Westland-Hubschrauber im Hintergrund. In dem flog ich für eine kurze Platzrunde mit. Der Traum vom Fliegen war in mir geboren.

Als Kind liebten Sie die heute verbotenen Überschlagschaukeln auf Jahrmärkten.

Es gab kein Karussell, in das ich nicht rein bin. Mein großer Bruder war mein Vorbild bei den Schiffsschaukeln. Endlich war ich alt genug und durfte in die Überschlagschaukel. Die Bewegung über Kopf hat mir Spaß gemacht und mir ein unglaubliches Gefühl von Freiheit gegeben. Und wohl auch meinen Magen abgehärtet.

Rainer Wilke (Quelle: Jörg Adam)

Rainer Wilke war Heeresflieger, Fluglehrer mit Einweisungsberechtigung für die BO105, Stuntpilot beim Film und hat alle Hubschrauberpiloten von Red Bull, die heute Kunstflug betreiben, ausgebildet. 2018 wurde er für sein Lebenswerk in die „Living Legends of Aviation“ aufgenommen – neben Größen wie Buzz Aldrin, Sir Richard Branson und Sergei Sikorsky.

In Ihrer gerade erschienen Biografie „Hubschrauberflug am Limit“ schreiben Sie, dass Sie zunächst als „wehrfliegerverwendungsunfähig“ eingestuft wurden.

Anstatt meiner Einberufung 1970 zu den Panzergrenadieren hatte ich mich zur Pilotenausbildung beworben. Doch für die Ausbildung zum Starfighterpiloten hätte ich vier Jahre Wartezeit einkalkulieren müssen, aber Hubschrauberpiloten wurden gesucht. Bei der Erstuntersuchung zur Flugtauglichkeit wurde ich wegen meiner Hornhautverkrümmung zunächst als fluguntauglich eingestuft. Aber durch den großen Bedarf an Hubschrauberpiloten bekam ich eine Sondergenehmigung.

Wie lange blieben Sie bei der Bundeswehr?

Insgesamt bis zu meiner Pensionierung 32 Jahre lang. Im Oktober 1971 absolvierte ich den ersten Ausbildungsflug auf einer Alouette2. Im Sommer 1973 kam ich zur neuen Heeresfliegerversuchsstaffel, die mit Hubschraubern vom Typ BO 105 ausgerüstet war.

Ein bis heute sehr erfolgreicher Leichthubschrauber mit revolutionärer Technik.

Der BO 105 war vom Hersteller Bölkow aus Werbegründen kunstflugtauglich ausgelegt. Da wir eine Vorzeigestaffel mit häufigen Besuchen von Generälen waren, gab es entsprechend viele Vorführungen. Zunächst schaute ich nur zu, wurde aber Fluglehrer für dieses Muster. Später erwarb ich meinen Privatflugzeugführerschein und die Kunstfluglizenz.

Nach der Pensionierung 2002 haben Sie dann richtig abgehoben?

Die Filmbranche hatte schon vorher mit mir Kontakt aufgenommen. Zunächst musste ich die Berufspilotenlizenz nachholen und war dann für Action Concept im Einsatz, um für die Serie „Alarm für Cobra 11“ oder den Kinofilm „The Clown“ die Stunts zu fliegen.

Welche Manöver haben Sie geflogen?

Meist flog ich zunächst Standardmanöver wie eine Rolle oder einen Loop. Nachträglich wurde eine Rakete, die mich verfolgte, digital reingeschnitten. Einmal musste ich für eine Fernsehserie mehrere Stuntmänner, die auf meinen Kufen standen, im Tiefflug auf einen fahrenden Zug absetzen. Das erforderte genaustes Timing.

Ein BO 105-Hubschrauber bei einem Manöver: Rainer Wilke revolutionierte den Kunstflug. (Quelle: Jörg Adam)

Welche Dreharbeiten haben Sie besonders in Erinnerung?

Bei einer Szene für „The Clown“ musste ich auf einen 50 km/h fahrenden Lastwagen quer anfliegen. Die Vorgabe war, dass ich eine Person, die vorne auf dem Führerhaus sich mit anderen im Heck beschießt, abholen soll. Ich musste dazwischen landen, damit der Darsteller einsteigen kann. Längsseits ist das Abgleichen der Geschwindigkeit kein Problem. Aber quer ein viel schwierigeres Manöver. Die Herausforderung bestand darin, beim Absetzen im Seitwärtsflug dieselbe Geschwindigkeit wie das Fahrzeug zu haben.

Wie unterscheidet sich der Kunstflug beim Hubschrauber vom Flächenflugzeug?

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