Die Witwe des verstorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny tritt seit seinem Tod vor einem Monat immer wieder an die Öffentlichkeit. Das gefällt nicht allen.

Julia Nawalnaja ist seit einem Monat Witwe. Ihr Mann, der Kremlkritiker Alexej Nawalny, starb am 16. Februar in russischer Haft. Vor seinem Tod hatte sich Nawalnaja vor allem um die beiden gemeinsamen Kinder gekümmert. Sie lebte längere Zeit mit ihnen in Moskau. Ihren Mann unterstützte sie zwar, blieb aber selbst eher im Hintergrund. Das hat sich mit seinem Tod geändert. Seitdem steht auch sie in der Öffentlichkeit.

Knapp zwei Stunden, nachdem sie vom Tod ihres Mannes erfahren hatte, betrat sie die Bühne der Münchner Sicherheitskonferenz. Sie rang um Fassung, sendete jedoch eine klare Botschaft: „Wenn es tatsächlich stimmt, dann möchte ich, dass (Wladimir) Putin und seine Umgebung, Putins Freunde, seine Regierung wissen, dass sie sich verantworten müssen.“

Die 47-Jährige möchte den politischen Kampf ihres Mannes fortführen – aus dem Exil. Nach Russland kann sie nicht. Das wäre zu gefährlich. Schließlich wurde ihr Mann bei seiner Rückkehr Anfang 2021 festgenommen und ist nun, drei Jahre später, tot. Auch Nawalnaja würde riskieren, dort im Straflager zu landen, weil die Nawalny-Bewegung in Russland als extremistisch eingestuft ist.

Nawalnaja spricht vor Politikern und Parlamenten

Deshalb sieht ihr politischer Kampf anders aus als der ihres Mannes. Drei Tage nach dessen Tod war die Russin zu Gast beim Außenministerrat der EU-Staaten in Brüssel. Wiederum nur wenige Tage später waren sie und ihre 23-jährige Tochter Daria zu Gast beim US-Präsidenten Joe Biden. Die verbleibende Zeit nutzten die beiden Frauen offenbar, um sich gegenseitig Kraft zu geben. Zu einem gemeinsamen Bild auf der Plattform Instagram schrieb Julia Nawalnaja: „Mein süßes kleines Mädchen. Ich bin zu dir geflogen, um dich zu unterstützen, aber du bist diejenige, die mich unterstützt. Du bist so stark, mutig und standhaft. Wir werden mit allem fertig, mein Herz.“

Viel Zeit blieb Mutter und Tochter nicht: Eine Woche später sprach Nawalnaja vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt seit 12 Tagen tot, und Nawalnaja war bereits in mindestens vier Ländern gereist, hatte hochrangige Politiker getroffen und vor Parlamenten gesprochen. Kein Wunder, dass sie Anfang März eine erneute Einladung Joe Bidens zu dessen Rede zur Lage der Nation wegen Müdigkeit ausschlug. „Julias Mann ist vor zwei Wochen gestorben. Sie war die ganze Zeit auf Reisen. Heute ist der erste Tag, an dem sie überhaupt zu Hause ist. Wie jeder Mensch braucht sie Zeit, um sich zu erholen, und obwohl sie die Einladung sehr zu schätzen weiß, muss sie sich jetzt zumindest ein wenig erholen“, sagte ihre Sprecherin Kira Yarmysh.

Dennoch ließ es sich Nawalnaja nicht nehmen, sich kurz vor der Russlandwahl per Video-Botschaften ans Volk zu wenden. Außerdem schrieb sie einen Gastbeitrag für die US-Zeitung „Washington Post“.

Nicht alle verstehen ihre Gefasstheit

Am Wahlwochenende trat die 47-Jährige dann wieder in der Öffentlichkeit auf. In der russischen Botschaft in Berlin habe sie den Namen ihres verstorbenen Mannes auf den Stimmzettel geschrieben, sagte sie anschließend Journalisten vor Ort. Nawalnaja hatte sich überraschend in die Warteschlange vor der Botschaft eingereiht und dann am frühen Abend das Gelände betreten. Auf dem Nachrichtendienst X berichtete sie von einer sechsstündigen Wartezeit: „Vielen Dank, wundervolle, beste Menschen, die mit mir heute ab 12 Uhr volle 6 Stunden Seite an Seite in der Schlange am Wahllokal gestanden haben“, schrieb sie auf X. t-online war vor Ort; lesen Sie hier, was die Wählerinnen und Wähler in Berlin zu Putin zu sagen haben.

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