Wahlbeobachter sprachen schon vorab von einer Farce, nun berichten Staatsmedien von einem Rekordergebnis für Amtsinhaber Wladimir Putin.

Kremlchef Wladimir Putin hat die von Manipulationsvorwürfen begleitete Präsidentenwahl laut Prognosen mit mindestens 87 Prozent der Stimmen gewonnen. Das russische Staatsfernsehen erklärte den 71-Jährigen am Sonntag nach Schließung der Wahllokale auf Grundlage mehrerer Wählernachbefragungen zum Sieger. Bei der dreitägigen Abstimmung waren keine echten Oppositionskandidaten zugelassen.

Nach Schließung der letzten Wahllokale wurden noch am Abend erste Ergebnisse erwartet. Die ersten aussagekräftigen Resultate soll es an diesem Montag geben. In der Regel stimmen die Prognosen mit dem am Ende verkündeten Ergebnis überein. Es wäre ein Rekord für Putin, der 2018 auf 76,7 Prozent der Stimmen kam.

Putin dürfte ein solches Ergebnis als Bestätigung seines antiwestlichen und autoritären Kurses präsentieren. Beobachter erwarten, dass er mit diesem Rückhalt, der Kritikern zufolge teils auf Repressionen und Zwang zurückzuführen ist, für die nächsten sechs Amtsjahre nicht nur außenpolitisch in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch einmal deutlich nachlegt.

Viele Russen befürchten zudem eine neue Mobilmachung Hunderttausender Reservisten. Auch innenpolitisch könnten die Daumenschrauben im Land noch einmal deutlich stärker angezogen werden, um den an den drei Wahltagen sichtbaren Protest von Putins Gegnern zu ersticken. Angekündigt sind zudem Steuererhöhungen, mit denen die hohen Ausgaben für den Krieg und die sozialpolitischen Vorhaben finanziert werden sollen.

Wahlkommission meldet Rekordbeteiligung

Die Wahlbeteiligung wurde am Sonntagabend mit mehr als 70 Prozent angegeben, dem höchsten Wert jemals bei einer russischen Präsidentenwahl. Das soll dem Ergebnis zusätzlich Legitimität verschaffen. Die Zahl der Wahlberechtigten wurde mit 114 Millionen Menschen angegeben.

Die auf drei Tage angesetzte Abstimmung wurde auch von Putins Krieg gegen die Ukraine überschattet, den er immer wieder als Kampf gegen ein angebliches Vormachtstreben der Nato und des Westens darstellt. Das verfing bei vielen Russen.

Der nun für weitere sechs Jahre gewählte Kremlchef dürfte das Ergebnis auch als klaren Ansporn nutzen, um der Ukraine noch mehr Gebiete zu entreißen. Putin hat angekündigt, die bisher teils besetzten ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja komplett einzunehmen. Auch Odessa im Süden droht ein russischer Besatzungsversuch.

In den okkupierten Teilen und auf der von Russland bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim stimmten Menschen ebenfalls bei der von Putin-Gegnern als Farce kritisierten Wahl ab. Die Ukraine und andere Länder weisen die unter Bruch des Völkerrechts organisierte Abstimmung als illegal und bedeutungslos zurück. Das Außenministerium in Kiew forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen.

Berichte über systematischen Betrug

Unabhängige Beobachter wiesen auf systematischen Betrug hin, der hinter diesem hohen Wert für Putin stecke. So wurden seit dem ersten Wahltag am Freitag massenhaft Fälle dokumentiert, in denen etwa Angestellte staatlicher Firmen zur Stimmabgabe gedrängt wurden und teils sogar Beweisfotos von ihrem ausgefüllten Wahlschein machen mussten. Kritiker beklagten zudem, dass insbesondere das Online-Verfahren leicht manipulierbar sei. Beobachter dokumentierten auch das massenhafte Stopfen von vorab ausgefüllten Stimmzetteln in die Urnen.

Neben einem noch brutaleren Vorgehen beim Überfall auf die Ukraine erwarten Experten nach der umstrittenen Wahl vor allem eine Zunahme der Repressionen in Russland. Schon jetzt gibt es keine Versammlungsfreiheit oder freie Berichterstattung von Medien, Andersdenkenden droht Haft, wenn sie den Krieg oder den Machtapparat kritisieren. Vor allem aber ist die Opposition ausgeschaltet, weil führende Köpfe im Straflager sitzen oder ins Exil ins Ausland geflohen sind. Die Hoffnung auf politischen Wandel in Russland hatte sich zuletzt auch nach dem Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny zerschlagen.

Diese fehlenden Freiheiten in Russland und die Gleichschaltung der vom Kreml gesteuerten Medien gelten als wichtigste Grundlage dafür, dass Putin seine Macht verteidigt. Allerdings erwartet die Politologin Tatjana Stanowaja zunehmende Probleme für den Kreml, die Zügel der Macht fest in der Hand zu behalten. Putins Positionen seien unausgewogen, die Ziele des Krieges unklar; und es gebe spürbare Eingriffe in das Privatleben, schrieb Stanowaja in einer Analyse für die Denkfabrik Carnegie. „All dies wird unweigerlich Druck auf das Regime von innen erzeugen“, meinte sie. „Das bedeutet nicht, dass das Regime zusammenbricht oder dass es zu Massenprotesten kommen wird.“ Doch werde der Einfluss der Eliten wachsen und die Bedeutung Putins abnehmen.

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