In Oldenburg weicht die Trauer langsam der Wut – auch auf die Polizei. „Der Fall muss (…) Konsequenzen nach sich ziehen“, heißt es etwa vom Aktionsbündnis „Gerechtigkeit für Lorenz“ auf Instagram. Das Bündnis ruft für Freitagabend zu einer Kundgebung in der Oldenburger Innenstadt auf. Die Stadt rechnet mit rund 1.000 Teilnehmern. „Der Mord an Lorenz ist kein Einzelfall“, heißt es vom Aktionsbündnis.
Das niedersächsische Innenministerium widerspricht: „Das ist nicht an der Tagesordnung“, so ein Ministeriumssprecher. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Polizei landesweit mehr als 1,5 Millionen Einsätze, in fünf Fällen hätten Beamte ihre Pistole gegen Menschen eingesetzt.
Das Aktionsbündnis hingegen spricht von „Rassismus, der auch bei der Polizei strukturell“ sei. Es zeige sich immer wieder: „Polizeieinsätze enden tödlich, wenn migrantisierte Menschen (…) betroffen sind.“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht das anders: „Grundsätzlich geht es bei polizeilichem Handeln nicht darum, ob jemand eine Person of Color ist oder Weiß und deutsch. Das ist nicht die Bewertungsgrundlage“, sagte der DPolG-Vorsitzende aus Niedersachsen, Patrick Seegers, dem NDR. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor einer Vorverurteilung der Polizei: Bis kein umfassender Bericht vorliege, seien sämtliche Mutmaßungen fehl am Platz. Konkrete Anhaltspunkte, dass Rassismus Ursache für die tödlichen Schüsse war, gibt es bislang nicht.
Kriminologe Tobias Singelnstein will sich noch kein Urteil erlauben, aber es müsse zumindest die Frage gestellt werden: „Haben die Beamten die Gefahr durch den jungen Mann anders bewertet, weil er eine Person of Colour war?“ Es gebe Rassismus in der Gesellschaft. Und „entsprechende Narrative gibt es natürlich auch in der Polizei“.
Wie die Ermittlungen gegen den Polizisten ausgehen, ist unklar. Aktuell ist der Schütze wie in solchen Fällen üblich vom Dienst suspendiert. Es gilt die Unschuldsvermutung. In der Vergangenheit sind Ermittlungsverfahren gegen Polizisten meist eingestellt worden, weiß Singelnstein. Eine Aufklärung „ohne unabhängige Zeugen“ dürfte sehr schwierig werden, so seine Vermutung. Unabhängig davon, wie die Ermittlungen in diesem Fall ausgehen, ist dem Kriminologen wichtig: „Die Polizei muss stärker Konzepte entwickeln, wie sie Situationen deeskalieren kann.“
In Oldenburg dürften manche ihr Urteil schon gefällt haben: „Du bist einfach gegangen – du wurdest uns genommen. Durch Gewalt, die niemals hätte sein dürfen“, steht auf einem Zettel an einer Hauswand.