Bei den Pro-Palästina-Demonstrationen mischen sich Trauer, Wut und Aggression. Oft wird die Polizei in Berlin zur Zielscheibe der Gewalt. Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft macht dafür den Senat verantwortlich.

Berlin, Kantstraße Ecke Joachimsthaler Straße, eine Pro-Palästina-Demonstration im Oktober: Ein Demonstrant nimmt Anlauf und springt einem knienden Polizisten in den Rücken. Der Mann kann entkommen, weil die Menge die Beamten an der Verfolgung hindert. Wenige Sekunden später greifen Demonstranten einen weiteren Polizisten an. Er wird mit einer gebrochenen Rippe ins Krankenhaus eingeliefert.

Über diese Fälle berichtet die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Polizeiberichte. Auch auf der Plattform X kursieren zahlreiche Videos von Anti-Israel-Demonstrationen in Berlin, auf denen Polizisten von Demonstranten provoziert, beleidigt und angegriffen werden. Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) fordert als Konsequenz ein härteres Vorgehen der Polizei gegen gewaltbereite Demonstranten; Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bringt ein generelles Verbot solcher Versammlungen ins Gespräch.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) beobachtet, dass die Polizei infolge des Krieges in Nahost immer mehr zur Zielscheibe der Aggression auf den Straßen Berlins wird. „Die Gewalt wird heftiger und brutaler“, sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der DPolG – und er weiß auch, von wem die Gewalt hauptsächlich ausgeht. Die Angriffe würden immer wieder von einzelnen polizeibekannten Anhängern der islamistischen Szene verübt. Ihr Ziel sei es, Dominanz zu demonstrieren und den Eindruck zu erwecken, im öffentlichen Raum die Regeln bestimmen zu können, so Wendt.

Die Berliner Polizei bestätigt auf Anfrage von t-online, dass es mehrere Personen gebe, die bei Pro-Palästina-Demonstrationen wiederholt mit Straftaten in Erscheinung treten. Sie stünden unter besonderer Beobachtung und könnten von Demonstrationen ausgeschlossen werden.

Eine Gefährderansprache oder eine Festnahme durch die Polizei schrecke Gewalttäter aber nicht ab, so Wendt. Besonders problematisch sei auch, dass viele der eingeleiteten Strafverfahren nur zu wenigen Verurteilungen führten. „Mangelnde Beweiskraft von Videoaufnahmen und überlastete Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften werden da sichtbar“, erklärt der Gewerkschafter. Wenn Gewalttaten folgenlos bleiben, können sich Täter in Sicherheit wiegen und bei der nächsten Pro-Palästina-Versammlung die deutsche Polizei erneut attackieren.

Trotzdem, so Rainer Wendt, dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Berliner Polizei einzelnen Gewalttätern auf Pro-Palästina-Demos nichts entgegensetzen könne. Die Berliner Kollegen seien nach wie vor „die professionellste und erfahrenste Einsatzpolizei in Deutschland“, die in der Lage sei, friedliche Pro-Palästina-Demonstrationen zu gewährleisten.

Dennoch bräuchten die Polizisten vom Berliner Senat dringend mehr Unterstützung und Befugnisse, wenn sie anti-israelische Kundgebungen begleiten. „Die Kräfte arbeiten ständig am Limit.“ Wendt fordert eine bessere technische und digitale Ausstattung der Polizei sowie mehr Polizisten auf Berlins Straßen. Außerdem müsse die Polizei insgesamt besser bezahlt werden.

Die Polizei müsste mithilfe des Berliner Senats auch ein besseres Image bekommen, um nicht zum Hassobjekt der Demonstranten zu werden. „Der Senat muss sich endlich zu seiner Polizei positiv bekennen“, so Wendt. So fordert er unter anderem, dass der Posten des Polizeibeauftragten abgeschafft werden soll. Hier können Bürger Beschwerden, unter anderem gegen Polizisten, einreichen.

Seit dem Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 fanden in Berlin bislang rund 700 Versammlungen in diesem Zusammenhang statt. Das Landeskriminalamt bearbeitet nach Polizeiangaben inzwischen fast 6.000 Straftaten, die meisten im Zusammenhang mit pro-palästinensischen Demonstrationen.

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