Auf einer Wahlkampfveranstaltung der SPD in Sachsen ging der Verteidigungsminister das katholische Oberhaupt ungewöhnlich hart an. Auch zum Taurus äußerte sich Pistorius – und geheimniskrämerte.

Eigentlich war er hier, um seiner Parteifreundin, Sachsens Sozialministerin Petra Köpping, im Wahlkampf zu helfen. Doch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte bei seinem Dresden-Besuch am Mittwoch noch ein Hühnchen zu rupfen: mit dem Heiligen Stuhl, seinen Genossen, mit all jenen, die mal wieder an Deutschlands Ukraine-Engagement zweifeln.

Er wisse, dass der Ukraine-Krieg in Sachsen „anders bewertet“ werde, sagte Pistorius auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Köpping, der SPD-Spitzenkandidatin bei der Sachsen-Wahl im September. Aber man spreche nun mal über einen „Aggressionskrieg eines Imperialisten gegen die Ukraine“. Und da helfe es nichts, „von der Ukraine zu verlangen, egal wer es tut, der Papst oder irgendjemand anderes, die Ukraine müsse jetzt die weiße Flagge hissen“.

Putin habe sehr klargemacht, dass er nicht an Verhandlungen denke, so Pistorius: „Also ist die Aufforderung, die weiße Flagge zu hissen, nichts anderes als die Aufforderung zum territorialen, zum souveränen Selbstmord.“

Aufforderung zu „territorialem Selbstmord“

Es sind ungewöhnlich scharfe Worte des deutschen Verteidigungsministers an die Adresse von Papst Franziskus, der vor Kurzem der Ukraine nahegelegt hatte, die „weiße Fahne“ zu hissen und ein Ende des Krieges mit Russland auszuhandeln. Der Vorstoß des Heiligen Stuhls hatte auch in Deutschland heftige Kritik ausgelöst, in Sachsen allerdings einen prominenten Unterstützer gefunden: Regierungschef Michael Kretschmer. Pistorius‘ Giftpfeil gegen den Papst und „irgendjemand anderes“ galt vermutlich auch dem CDU-Mann.



„Also ist die Aufforderung, die weiße Flagge zu hissen, nichts anderes als die Aufforderung zum territorialen, zum souveränen Selbstmord.“


Verteidigungsminister Boris Pistorius


Man kann davon ausgehen, dass Pistorius sich diesen Satz gut überlegt hat und ihn bewusst so hart formuliert hat. Der Minister erwähnte ihn nicht beiläufig in einer Antwort auf eine Journalistenfrage, sondern platzierte ihn in seinem Eingangsstatement.

Die rhetorische Wucht lässt zudem vermuten, dass Pistorius nicht nur dem Papst oder dem politischen Gegner eins überziehen, sondern auch strategische Effekte nach innen erzeugen wollte: in seine SPD, die seit Neuestem laut über ein „Einfrieren“ des Ukraine-Kriegs sinniert.

Statt eines Kanzler-Machtworts – das ihm selbstverständlich nicht zusteht – gab es nun also das kleine Basta des Verteidigungsministers, das die Debatte beerdigen sollte.

„Uns alle eint der Wunsch nach Frieden“

Vor zwei Wochen hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Deutschen Bundestag gefordert, den Ukraine-Krieg einzufrieren, auch wenn er später klarstellte, dass dies nicht zum jetzigen Zeitpunkt sein müsse. Wie wenig Pistorius vom Vorstoß seines Parteikollegen hält, machte der Minister auch in Sachsen nochmal deutlich.

„Uns alle eint der Wunsch nach Frieden.“ Aber man könne nicht öffentlich über einen Waffenstillstand diskutieren, „der nicht in unserer Entscheidungshoheit liegt“. Weder dürfe man die Ukraine zu Verhandlungen drängen noch sei Russland derzeit bereit dazu. Pistorius warnte davor, Putins Ambitionen zu unterschätzen: Der Kremlchef wolle ein Russland in den Grenzen der alten Sowjetunion. „Wenn Putin den Krieg gewinnt, dann wird er nicht aufhören.“

Gleichzeitig gehe er davon aus, dass hinter den Kulissen durchaus Gespräche stattfinden. „Es gibt Gesprächskanäle, ganz sicher“, so Pistorius auf eine Frage von t-online. Man wisse aus vielen Konflikten der vergangenen Jahrzehnte, dass Diplomatie im Zweifel immer stattfinde, „auf welcher Ebene auch immer“. Er würde sich sehr wundern, ohne dass er es positiv wisse, wenn das hier anders wäre.

Auf Tuchfühlung mit den sächsischen Bürgern

Im Anschluss an die Pressekonferenz im Dresdner Herbert-Wehner-Haus stellten sich Pistorius und Köpping, mit der er sich 2019 für den SPD-Vorsitz erfolglos beworben hatte, noch den Fragen interessierter Bürger. „Sag‘ mal Sachsen“ heißt das Format, in dem die sächsische SPD zum Bürgerdialog ins nahegelegene „Penck Hotel“ eingeladen hatte. Es fand erstmals am Mittwochabend statt.

Rund 100 bis 150 Interessierte waren gekommen, stellten Fragen über die Aufarbeitung der Corona-Politik, die wirtschaftliche Lage, Russlands Angriffskrieg. Köpping und Pistorius blieben konsequent bei ihrer Linie der Ukraine-Unterstützung. Es gab keine Softversion, keine massentaugliche Variante, um den sächsischen Wählern nach dem Mund zu reden.

„Als würden die auf Bäumen wachsen“

Was ihnen gelegen kam: Es gab auch niemanden im Publikum, der ein Einstellen der militärischen Unterstützung der Ukraine oder ein „Einfrieren“ des Konflikts forderte. Im Gegenteil: Die Fragesteller zitierten die Gruppe prominenter Historiker, die dem Kanzler und der SPD gerade „Realitätsverweigerung“ unterstellten, oder erkundigten sich, warum man eigentlich nicht noch mehr Panzer der Bundeswehr herausrücke, um den ukrainischen Abwehrkampf zu stärken.

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