Andererseits hat auch Klingbeil ein Interesse an einem ordentlichen SPD-Ergebnis, schon aus einem Überlebensinstinkt heraus. Denn sollte die SPD mit dem Kandidaten Scholz auf 14 oder 13 Prozent abrutschen, ist auch Klingbeils Autorität als Parteichef angekratzt.

Der andere, Fraktionschef Rolf Mützenich, sieht sich als Politiker mit hohen Prinzipien. Eines davon heißt, als Fraktionschef der Kanzlerpartei dem Bundeskanzler genügend Beinfreiheit fürs Regieren zu verschaffen. Mützenich hat genau das die letzten Jahre getan, organisierte für Scholz die Mehrheiten im Parlament, auch wenn es gegen die eigenen Überzeugungen ging. Genossen, die ihm nahestehen, sagen, dass Mützenich sich auch aus seinem Amtsverständnis heraus schwertue, mit dem Kanzler zu brechen.

Gleichwohl hat auch Mützenich eine Verantwortung der SPD-Fraktion gegenüber, die bei einer Wahlschlappe viele Mandate verlieren könnte. Der Fraktionschef hat bereits ein „Grummeln“ seiner Abgeordneten über Scholz öffentlich eingestanden. Wer mit Abgeordneten dieser Tage spricht, weiß, dass das Grummeln in Wahrheit ein heftiges Brodeln ist.

Im Moment scheint alles im Fluss zu sein. Viel hängt davon ab, wie groß der Pistorius-Fanklub in der SPD wirklich ist – und wer sich traut, sein Bekenntnis öffentlich zu machen. Viele Genossen lauern, beobachten das Verhalten der anderen. Andere wiederum werden zum Schweigen verdonnert. So erzählt ein Abgeordneter t-online, dass ihm mit einem hinteren Listenplatz bei der Bundestagswahl gedroht wurde, sollte er sich offen für Pistorius aussprechen.

Und Pistorius selbst? Er spielt perfekt die Rolle des erfahrenen Politprofis: Erklärt sich solidarisch mit dem Kanzler, schließt aber eine Kanzlerkandidatur nicht aus: „In der Politik sollte man nie irgendetwas ausschließen, ganz egal, worum es geht“, sagte er jüngst.

Ein Vorteil des Kanzlers scheint die Angst der SPD vor der Spaltung zu sein. Parteichef Klingbeil hat die Demontage der damaligen SPD-Chefin Andrea Nahles hautnah miterlebt, für den Niedersachsen ist seither Geschlossenheit oberstes Prinzip. Aber ist Geschlossenheit wichtiger als das Wahlergebnis? Klar ist: Auch eine kurzfristige Nominierung von Pistorius birgt Risiken. Ob sie die Chancen aufwiegen, müssen die handelnden Akteure nun abwägen.

Am Mittwoch kommt Kanzler Scholz vom G20-Gipfel in Brasilien zurück. Dann könnten ihm unangenehme Gespräche mit der SPD-Spitze drohen. „Die nächsten Tage werden entscheidend“, heißt es von einem einflussreichen Genossen. Am Dienstagmittag meldet die „Bild“-Zeitung, dass sich die SPD-Spitze noch am Abend treffen wolle – ohne Scholz, der zu dieser Zeit im Flieger sitzen wird. Einziger Tagesordnungspunkt demnach: die K-Frage.

Share.
Exit mobile version