Bedrohung durch Russland
Pistorius: Bundeswehr schnellstmöglich kriegstüchtig machen
Aktualisiert am 24.09.2024 – 18:07 UhrLesedauer: 3 Min.
Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Bundeswehr so schnell wie möglich fit für künftige Bedrohungen machen. Er betont die Verantwortung Deutschlands als größtem europäischen Nato-Partner.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die Notwendigkeit der schnellstmöglichen Ausstattung der Bundeswehr bekräftigt. Bis 2029 müsse man damit rechnen, dass Russland seine militärische Rekonstitution abgeschlossen haben werde und in der Lage sein könnte, einen militärischen Schlag gegen Nato-Gebiet zu führen, sagte Pistorius angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
„Deswegen kommt es darauf an, dass wir uns auf dieses Bedrohungsszenarium so schnell wie möglich einstellen“, erklärte er am Rande eines Besuchs des Kampfhubschrauberregiments 36 „Kurhessen“ des Deutschen Heeres im nordhessischen Fritzlar.
„Wir sind ja nicht alleine. Die Betrachtung der Bundeswehr alleine würde zu kurz greifen“, erläuterte Pistorius. Deutschland sei der größte Nato-Partner in Europa und eingebunden in das Bündnis, das so groß sei wie noch nie nach dem Beitritt von Schweden und Finnland. „Wir spielen unsere Rolle“, erklärte der Minister. „Deswegen haben wir eine entsprechende Verantwortung, der wir auch gerecht werden wollen. Und dazu gehört die schnellstmögliche Ausstattung der Bundeswehr.“
Wie viel Geld es dafür braucht, beantwortete Pistorius nicht konkret. „Selbst wenn ich morgen statt einhundert eintausend Milliarden hätte, würden bestimmte Prozesse dadurch nicht schneller werden können, weil sowohl Industrie als auch Bauwirtschaft ja die Aufträge auch noch abarbeiten müssen.“ Trotzdem brauche es Geld „irgendwo dazwischen“.
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel hatte kürzlich kritisiert, Deutschland rüste zwar auf – aber nur langsam. Das Institut prognostizierte in seinem aktuellen „Kiel Report“, dass es beim gegenwärtigen Beschaffungstempo viele Jahre brauche, den Bestand wieder auf das Niveau des Jahres 2004 zu bekommen – und zwar bei Kampfjets rund 15 Jahre sowie bei Kampfpanzern rund 40 Jahre. Bis der 2004er-Bestand bei Haubitzen erreicht wäre, würde es sogar bis ins Jahr 2121 dauern.
Dies liegt dem IfW zufolge einerseits an der drastischen Abrüstung der vergangenen Jahrzehnte und andererseits an der nach wie vor zu langsamen Aufrüstung unter der Ampelregierung.
Pistorius wies die Kritik zurück. Das IfW habe selbst gesagt, es habe eine sehr plakative und nicht militärisch-analytische Betrachtung vorgenommen. Das Phantom-Kampfflugzeug etwa sei 2004 bereits 35 Jahre alt gewesen. „Heute reden wir über Eurofighter der verschiedenen Stufen und wir reden über F-35, die nächstes Jahr kommen. Das kann man alleine deshalb schon nicht vergleichen.“
Auch könne man eine Bundeswehr im Kalten Krieg mit 500.000 Soldaten und ihrem Panzerbestand nicht mit einer Bundeswehr mit 180.000 Soldaten und ihrem Panzerbestand am Ende einer 35-jährigen Periode nach dem Kalten Krieg vergleichen. Dennoch habe die Studie ihre Aussagekraft.
Nach seinem Verständnis kritisiere sie aber nicht das Tempo der Beschaffung bei der Bundeswehr. „Das würde mich auch überraschen, weil wir nämlich gewaltig Geschwindigkeit aufgenommen haben in 23 und 24“, so Pistorius. Viel schneller gehe gar nicht, auch weil die Industrie hinterherkommen müsse.
„Trotzdem bleibt der Ansatz richtig: Das Beschaffungstempo kann nur in dem Maße erhöht werden, wie Geld für Beschaffung da ist. Und zwar nicht nur für ein oder zwei Jahre, sondern langfristig dargelegt, vernünftig abgebildet, dass Industrie und wir wissen, welche Verträge wir schließen können, in welchem Tempo und in welchen Schritten, dann entsprechend nachgeliefert werden kann“, erklärte der Verteidigungsminister. „Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Und an der arbeiten wir.“
Pistorius hatte beim Besuch des Kampfhubschrauberregiments in Fritzlar mit Soldatinnen, Soldaten und zivilen Mitarbeitern gesprochen. Das Kampfhubschrauberregiment 36 ist der einzige fliegende Kampfverband mit Tiger-Kampfhubschraubern in Deutschland. Es umfasst etwa 1.200 Dienstposten am Standort Fritzlar.
Das Tiger-Regiment ist auch im Ausland im Einsatz. So flogen seine Kampfhubschrauber von 2012 bis Juni 2014 im Rahmen des Einsatzes der Internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan sowie 2017 bis 2018 zur Unterstützung des UN-Friedenseinsatzes Minusma in Mali. Zwei Piloten aus Fritzlar kamen dort damals bei einem Absturz ums Leben.