Mit dem ersten Schritt auf die Loggia beginnt für Leo XIV. ein völlig neues Kapitel. Er ist nicht mehr Privatperson, sondern Pontifex. Wie tiefgreifend der Rollenwechsel für einen Papst wirklich ist.
Wie radikal diese Veränderung ist, erklärte der Ordenspriester und Kapuziner Paulus Terwitte im Gespräch mit t-online. „Mit der Wahl beginnt ein völlig neues Leben – radikal und unumkehrbar. Wer zum Papst gewählt wird, verliert in diesem Moment sein ganzes bisheriges Leben. Es gibt kein Zurück.“
Der neue Pontifex könne nicht noch einmal nach Hause fahren, nicht seine Sachen packen, kein letztes Bier mit Freunden trinken, nicht mal eben seine Wohnung aufräumen oder Abschied nehmen. „Von einem Moment auf den anderen ist er nicht mehr Privatmensch. Kein Spaziergang mehr ohne Sicherheitsstaffel, keine Kinobesuche, keine Sauna – nichts davon geht mehr“, führt Bruder Paulus vor Augen. Selbst ein einfaches Treffen mit alten Freunden sei fortan nur noch mit mindestens fünf Personenschützern möglich.
Video | Papst Leo XIV. tritt zum ersten Mal auf die Loggia des Petersdoms.
„Wer zum Papst gewählt wird, verliert wirklich alles. Nicht nur das eigene Zuhause, sondern auch jedes Stück Alltag, jede Selbstverständlichkeit“, so der Kapuziner. „Der steht plötzlich auf der Loggia, Hunderttausende jubeln – und doch ist er in diesem Moment obdachlos. Das Leben, wie es vorher war, ist vorbei.“
Man stelle sich vor, man müsse noch am Abend aus der eigenen Wohnung raus, ohne Vorbereitung, ohne Umzug, ohne Abschied. „Es ist ein privilegierter Ausnahmezustand, ja – aber auch ein tiefer Einschnitt. Denn wer Papst wird, gibt alles auf. Ohne Rückfahrkarte.“
Es ist ein radikaler Statuswechsel. Ein Mensch wird nicht nur in eine neue Rolle gehoben – er wird in eine neue Existenzform versetzt. Aber dieser Bruch hat im Katholizismus auch eine tief religiöse Dimension. Schon Jesus hat seine Jünger aus ihren vertrauten Lebensverhältnissen herausgerufen.
„In diesem Licht erscheint auch die Berufung zum Papst: nicht als Karrierehöhepunkt, sondern als Entwurzelung – eine geistliche, existenzielle Umkehr“, so Bruder Paulus.
Neben Familienbesuchen und Freizeitbeschäftigungen kann sich der Papst auch keinen Urlaub im klassischen Sinn mehr gönnen. Der Vatikanexperte Ulrich Nersinger erklärte im Gespräch mit dem Kölner Domradio: „Wenn wir vom Sommerurlaub der Päpste sprechen, darf man den Begriff Urlaub nicht mit dem gleichsetzen, was wir darunter verstehen.“
Denn auch wenn frühere Päpste in den Sommermonaten Rom verließen, etwa in die kühleren Höhen von Castel Gandolfo, der Sommerresidenz der Päpste, wurde dort keineswegs nur entspannt. „Sie haben an diesen Orten durchaus gearbeitet. Sie haben Audienzen gegeben, sie haben sogar Staatsbesuche empfangen“, sagt Nersinger. In den Archiven des Vatikans finden sich unzählige Dokumente, die in Castel Gandolfo ausgestellt worden sind – echte Dienstreisen also, keine Sommerferien.