BERLIN – Bundeskanzler Olaf Scholz lehnte am Samstag seine fiskalkonservativen Koalitionspartner ab, die Kürzungen bei den Sozialleistungen fordern, während die Regierung versucht, ein 60-Milliarden-Euro-Loch in ihrem Haushalt zu stopfen.
„Für mich ist ganz klar: Einen Sozialstaatsabbau wird es in einer solchen Situation nicht geben“, sagte Scholz auf dem SPD-Parteitag in Berlin in einer mit Spannung erwarteten Rede nach wochenlangem Schweigen Thema.
Scholz‘ Gelübde verschaffte seinen Parteikollegen Erleichterung, stellt jedoch eine Herausforderung für die Koalitionspartner der Freien Demokratischen Partei dar, die immer wieder eine Lösung der Haushaltskrise durch Sozialkürzungen forderten. Zuletzt bezeichnete FDP-Vizevorsitzender Johannes Vogel in einem Interview den deutschen Sozialstaat als „Dickicht“, das insbesondere im Bereich der Familienleistungen Ungerechtigkeit schaffe.
Doch Scholz gab in seiner 45-minütigen Rede kaum Einblick in das weitere Vorgehen der Regierung. Die Haushaltskrise sei eine „sehr schwierige, aber nicht unlösbare Aufgabe“, sagte er.
Die Zeiten sind hart für Scholz.
Anlässlich des zweijährigen Amtsantritts seiner sogenannten Ampelkoalition erhielt Scholz von den Meinungsforschern ein unwillkommenes Geschenk: Eine Zustimmungsrate von nur 20 Prozent, das schlechteste Ergebnis, das die ARD jemals für einen Kanzler verzeichnete.
Die Haushaltskrise, die durch ein Bombenurteil des Bundesverfassungsgerichts im November ausgelöst wurde, dürfte zu den schlechten Bewertungen von Scholz beigetragen haben. Das Gericht entschied, dass ein Plan der Regierung, 60 Milliarden Euro, die aus einem COVID-19-Notfallfonds übrig geblieben seien, zur Finanzierung der grünen Agenda des Landes umzuwidmen, verfassungswidrig sei.
Scholz‘ Rede am Samstag, in der er auch die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine im Kampf gegen die Invasion des russischen Präsidenten Wladimir Putin beschwor, wurde mit fast fünfminütigem Applaus bedacht. Zu einer Reform der Schuldenbremse, die die Neuverschuldung Deutschlands verfassungsmäßig begrenzt, sagte er in der Rede nichts.
Am Freitag stimmten die SPD-Abgeordneten einer Reform der Schuldenbremse zu, um die Regierung aus der Haushaltskrise zu befreien, doch eine solche Reform wäre innerhalb der Regierungskoalition ein äußerst umstrittenes Thema.