Ökonom Stefan Kooths übt deutliche Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser hatte zuvor Deutschlands Rentenexperten kritisiert.
Der Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, hat Bundeskanzler Olaf Scholz für seine Wortwahl in Bezug auf die geplante Rentenreform scharf kritisiert. „Es tut der Debatte – zumal in einem so wichtigen Thema – nie gut, die Überbringer unliebsamer Botschaften zu verunglimpfen“, sagte Kooths t-online. Scholz hatte in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ den Einwand zurückgewiesen, durch das Rentenpaket II würden vor allem jüngere Generationen belastet.
Dies sei „die Auffassung einer ausschließlich Establishment-orientierten Expertenlandschaft, die ihre Schäfchen im Trockenen hat“, sagte Scholz. Das zeige auch der Streit über die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren. „Dagegen wenden sich lauter Akademiker, die frühestens mit 25, 26 Jahren anfangen zu arbeiten und Beiträge zu zahlen und selbst nie auf 45 Beitragsjahre kommen.“ Das habe für ihn „einen fahlen Beigeschmack“.
IfW-Konjunkturchef Kooths sagte nun in Scholz‘ Richtung: „Der Vorwurf, das Interesse eines ‚Establishments‘ zu vertreten, schürt nur eine ohnehin übermäßige Polarisierung, die kein Problem löst.“ Und weiter: „Schon gar nicht können damit die Einwände gegen das Rentenpaket II entkräftet werden.“
Kooths kritisiert die geplante Rentenreform der Ampelregierung indes deutlich. „Das Rentenpaket II verwaltet nur den Mangel und schiebt die Lasten einseitig den aktiv Versicherten zu“, sagte der Ökonom. „Daran ändert auch das Generationenkapital nichts.“ Dieses habe keine sachliche Verbindung zur Rentenversicherung.
Mit dem in der Regierung bereits verabredeten Rentenpaket II soll zum einen gesetzlich garantiert werden, dass das Rentenniveau in den Jahren bis 2039 nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns fällt. Zudem soll mit dem vor allem von der FDP geforderten Generationenkapital eine Aktienrente eingeführt werden.
Kooths kritisiert das Rentenpaket II auch, weil der Nachhaltigkeitsfaktor außer Kraft gesetzt werden soll. Dieser ist Teil der Rentenanpassungsformel, also der Formel, die berechnet, wie stark die Rentenerhöhung Mitte des Jahres ausfällt. Der Faktor bildet bislang das Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern ab – sorgt also dafür, dass die Rente langfristig finanzierbar bleibt und die Rentenanpassung die Rentenkasse nicht übermäßig belastet.
Werde der Nachhaltigkeitsfaktor nun rückabgewickelt, so Kooths, „werden die Beitragssätze stärker angehoben werden müssen, was aus Sicht der aktiv Versicherten eher wie eine Steuer wirkt und somit Arbeitsanreize mindert“.
Die Folge: „Insbesondere schwächt Deutschland damit seine Position im Wettbewerb um die Talente der Welt, auf die der Standort dringend angewiesen ist.“ Qualifizierte Zuwanderer kämen „nicht hierher, um höhere Rentenanwartschaften der Ruheständler zu finanzieren, sondern um sich hier eine Existenz aufzubauen“, so Kooths weiter.
Sein Vorschlag stattdessen: „Eine Alternative zum Rentenpaket II wäre eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters bei gleichzeitig großzügiger ausgestalteten Erwerbsunfähigkeitsrenten.“ Dies würde unter Rücksicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit „das Rentensystem wirksamer stabilisieren als zusätzliche Beitragssatzerhöhungen“, erklärt der Experte.