Ungewohnt deutlich

Scholz findet das „peinlich“


Aktualisiert am 26.11.2024 – 00:56 UhrLesedauer: 4 Min.

Olaf Scholz lässt sich als Kanzlerkandidat der SPD ausrufen. (Quelle: Florian Gaertner/iago images)

Olaf Scholz verweist in einem Interview auf seine Wahlkampf-Strategie. Zugleich attackiert er ungewohnt deutlich seine Kritiker.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat das lange Abwarten der SPD bei seiner erneuten Nominierung zum Kanzlerkandidaten verteidigt. „Das war eine Situation, in der man einmal kurz nachdenken durfte, was ist jetzt das Richtige“, sagte Scholz im ZDF-„heute journal“ zur Lage in der Partei nach dem Aus der Ampelkoalition.

Mit Blick auf den Verzicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius auf eine eigene Kandidatur und seine am Montag erfolgte Nominierung sagte Scholz: „Wir werden jetzt gemeinsam in diese Wahl gehen.“ Pistorius sei „in der Tat ein Freund von mir“, er habe ihn schließlich auch in die Bundesregierung geholt.

Zu dem Vorwurf seiner politischen Gegner, Scholz wolle nun auf dem Rücken der Ukraine den Krieg zum Wahlkampf-Thema machen, sagte er: „Das ist peinlich.“ In dem Konflikt müsse man sich „genau überlegen, wie man klug handelt, wie man besonnen handelt“. Der SPD-Politiker betonte aber, dass die Ukraine-Politik wohl ein dominierendes Thema im Bundestagswahlkampf werden wird. „Es ist Krieg in Europa“, sagte er. Und das bewege nun einmal die Bürger.

Auch wenn Länder wie die USA beim Einsatz ihrer Marschflugkörper durch die Ukraine auf russischem Territorium inzwischen ihre Meinung geändert hätten, bleibe er bei seinem Standpunkt: „Ich halte es für falsch, wenn Deutschland eine solche Entscheidung trifft.“ Es geht in der Frage vor allem um den Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern, den Scholz bisher abgelehnt hat.

Er habe als Kanzler dafür gesorgt, dass Deutschland der größte Unterstützer der Ukraine hinter den USA wurde. Aber gleichzeitig habe er dem Druck standgehalten und keine Marschflugkörper geliefert oder die Erlaubnis gegeben, mit von Deutschland gelieferten Waffen Ziele im russischen Hinterland anzugreifen. „Ich glaube, dass das der Kurs ist, der eine Mehrheit hat bei den Bürgerinnen und Bürgern. Und den hat es nur gegeben, weil ich ihn vertreten habe“, betonte Scholz.

Der 66-Jährige hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder dadurch hervorgetan, dass er bei der Frage nach Waffenlieferungen für das von Russland völkerrechtswidrig angegriffene Land abwartend reagierte und auf die Führungsrolle der USA verwies; ohne deren Zustimmung, so Scholz etwa Anfang 2023 im Bundestag, könne er den Bitten der Ukraine, etwa nach der Lieferung von Leopard-Panzern, nicht nachkommen. „Viele Menschen haben Angst“, sagte er und verwies auf das sogenannte „Deutschlandtempo“ seiner Regierung im Hinblick auf die Ukraine-Solidarität.

Doch scheint das Diktum von Scholz im Fall der Taurus-Marschflugkörper nicht mehr zu gelten. Trotz der Tatsache, dass sowohl die USA, Großbritannien, als auch Frankreich der Regierung in Kiew inzwischen die Erlaubnis erteilt haben, mit den von ihnen gelieferten Waffen auch in russisches Territorium zu schießen, lehnt Scholz eine solche Freigabe weiterhin ab.

Viele Militärexperten halten die Argumente des Kanzlers gegen die Taurus-Lieferung nicht nur für „nicht stichhaltig“, wie etwa Gustav Gressel kürzlich erneut betonte, sondern auch für gefährlich. Militärisch gerät die Ukraine immer mehr ins Hintertreffen, weitere russische Erfolge schmälerten eine mögliche Verhandlungsposition des Landes – und damit auch die Position Europas gegenüber dem russischen Aggressor.

Das Etikett des „Friedenskanzlers“, das Scholz nicht nur im Europawahlkampf 2024 mit einer großangelegten Plakatkampagne für sich reklamierte, quittieren Kritiker mit Unverständnis. „Wie kann jemand, der sich in taktischen Wahlkampf-Winkelzügen verfängt und die strategische Dimension dieses Krieges für uns Deutsche bewusst ausblendet, sich ungestraft mit solcher Feder schmücken oder gar von Dritten mit ihr geschmückt werden?“, schrieb etwa das konservative Magazin „Cicero“ jüngst zum Scholz-Kurs.

Auch die linke „tageszeitung“ attestierte Scholz schon vor Monaten, dass seine Strategie des „abwägenden Pols“ zwischen angeblich „lauter Brauseköpfen“ gescheitert sei. Die von ihm so gern postulierte Besonnenheit werde vor allem als Widersprüchlichkeit wahrgenommen. Zudem gebe es jenseits des Etiketts des „Friedenskanzlers“ keine ernst zu nehmenden Versuche der SPD, den Frieden auch tatsächlich diplomatisch voranzubringen.

„Wir wollen nicht, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO wird“, hatte Scholz in den vergangenen Monaten und Jahren seit dem russischen Überfall auf die Ukraine betont. Russlands Gewaltherrscher Wladimir Putin betont seinerseits jedoch bei jeder Gelegenheit, dass er sich längst mit dem Westen, und damit auch mit der Nato, im Krieg sieht. Dass Russland die Verbündeten der Ukraine, darunter auch Deutschland, im Rahmen der hybriden Kriegsführung ebenfalls – und nicht erst seit dem Einmarsch in der Ukraine – ins Visier genommen hat, ist bekannt.

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