Seit einem Jahr müssen Brüste in öffentlichen Bädern der Stadt Hamburg nicht mehr bedeckt werden. Doch kaum jemand nutzt das. Dennoch ist es ein guter Vorstoß.

Erst einmal klingt die Bilanz des Oben-ohne-Badens in Hamburg ernüchternd. „Das Angebot wurde nicht genutzt“, sagt Bäderland-Sprecher Michael Dietel. Und das nach einem Jahr. War also der Vorstoß, Brüste in den öffentlichen Bädern nicht mehr bedecken zu müssen, ein Flop? Auf gar keinen Fall.

Denn der Vorstoß hat eins deutlich gemacht: Brüste sind nichts, was versteckt werden muss. Brüste sind kein Problem. Nichts Unangenehmes. Nichts Obszönes. Dass Frauen im Gegensatz zu Männern zuvor vorgeschrieben wurde, ihre Nippel in Bädern bedecken zu müssen, vermittelte lange Zeit ein gegenteiliges Bild. Und das ist einer modernen Gesellschaft nicht würdig. Wenn auch klar ist, dass viele Frauen kein Bedürfnis danach haben, sich unbedeckt zu zeigen, so haben sie mittlerweile immerhin die Wahl.

Selbstprofilierung oder wichtiges Symbol?

Bikini-Oberteile nicht mehr zur Pflicht zu erklären, war dementsprechend vor allem ein symbolischer Akt. Viele mögen dahinter Heuchelei und Selbstprofilierung seitens der Stadt vermuten. Mit dem Ziel zu zeigen: „Schaut her, wie fortschrittlich wir sind“ – nur, um ein Verbot aufzuheben, womit letztlich nichts nennenswert verändert wird. Denn Umfragen zeigten von Anfang an, dass nur ein Bruchteil der Frauen sich vorstellen konnte, ohne bedeckte Brüste ins Wasser zu springen oder sich auf der Wiese zu sonnen.

Das liegt aber wohl kaum am grundsätzlichen Unwillen von Frauen, auf einschneidende Träger und verrutschende Bikini-Oberteile zu verzichten. Sondern vor allem auch an Männern. Oder konkreter: an der Angst vor ihrem Verhalten. Die Sorge davor ist nicht unbegründet.

Die Realität vieler Frauen

Rund 89 Prozent der befragten Frauen sowie rund 88 Prozent der Befragten mit der Geschlechtsidentität divers haben angegeben, sich schon einmal sexuell belästigt gefühlt zu haben – das ergab eine Studie vom Statista Research Department. Die Sorge vor lüsternen Blicken, anrüchigen Kommentaren und sogar Übergriffen dürfte viele Frauen, die gerne „oben ohne“ baden würden, davon abhalten. Denn auch wenn das Verbot weicht, werden Schwimmbäder für Frauen noch längst nicht zu Orten, an denen sie sich sicher fühlen.

Der Vorstoß, Brüste in den öffentlichen Bädern nicht mehr bedecken zu müssen, war kein Flop. Er war ein Zeichen auf einem langen Weg – hin zu einer Welt, in der sich Frauen genauso frei in dieser Welt bewegen können wie Männer.

Share.
Exit mobile version