Die Witwe des getöteten Kremlkritikers Alexej Nawalny, Julija, reiste am Freitag für eine Preisverleihung an den Tegernsee. Begleitet hat sie einer der engsten Vertrauten ihres Mannes.
Auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel kommen jedes Jahr Größen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Das Highlight in diesem Jahr: Julija Nawalnaja, die Witwe des im Februar getöteten Kremlkritikers Alexej Nawalny, fuhr an den Tegernsee, um persönlich den sogenannten „Freiheitspreis der Medien“ für sich und ihren Ehemann entgegenzunehmen.
Mit Nawalnaja reiste auch der russische Oppositionelle Leonid Wolkow aus dem Exil in Litauen an. Sowohl für Wolkow als auch für Nawalnaja handelt es sich beim Besuch des Ludwig-Erhard-Gipfels um den ersten offiziellen Auftritt in Bayern seit der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Dort hatten sie kurz vor den russischen Präsidentschaftswahlen überraschend vom Tod Nawalnys erfahren. Wolkow hat mit t-online über Waffenlieferungen in die Ukraine, sein Leben im Exil und seine Freundschaft zu Alexej Nawalny gesprochen.
t-online: Herr Wolkow, wann und wo haben Sie erfahren, dass Alexej Nawalny tot ist?
Leonid Wolkow: Das war bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Alexej Nawalnys Frau Julija war auch da.
Es war eine gewöhnliche Konferenz mit vielen Programmpunkten. Nachdem wir von Alexejs Tod erfahren hatten, haben wir natürlich überlegt, alles abzusagen. Julija hat dann aber die Entscheidung getroffen, dass sie in München bleiben möchte und hat ein Statement auf der Bühne abgegeben. Die ganzen Termine und Gespräche, die wir danach hatten, haben die Trauer für den Moment etwas in den Hintergrund gerückt.
Sie gelten als einer der engsten Vertrauten Nawalnys. Wie war Ihre Beziehung zueinander?
Es ist für mich noch immer nicht leicht, in der Vergangenheit über Alexej zu sprechen. Ich habe jahrelang eng mit ihm zusammengearbeitet. 2013 war ich sein Wahlkampfstabsleiter für die Bürgermeisterwahl in Moskau, 2017 und 2018 dann für die Präsidentschaftswahl. Auch, wenn er letztendlich nicht zur Wahl zugelassen wurde.
Zur Person
Leonid Wolkow wurde 1980 im russischen Jekaterinburg geboren. Der Politiker ist Oppositioneller Wladimir Putins und gilt als enger Vertrauter des kürzlich verstorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny. Wolkow ist Teil der von Nawalny gegründeten Anti-Korruptions-Stiftung. 2019 flüchtete er ins Exil nach Litauen, seit 2021 führt er von dort aus die Arbeiten der Stiftung weiter.
Und Sie waren Teil seiner Anti-Korruptions-Stiftung.
Genau. Wir haben diese Stiftung gegründet, unter anderem, um Hunderte unabhängige Kandidaten in Kommunalwahlen zu unterstützen. Dafür sind wir sehr viel gemeinsam durch Russland gefahren. In Russland können wir seit 2021 aber nicht mehr arbeiten, weil die Justiz die Stiftung als „extremistische Organisation“ eingestuft hat. Dennoch hat Alexej die Infrastruktur dafür geschaffen. Das ist sein Erbe.
Ja. Und ich bin sehr froh, dass ich so einen Freund hatte. Er war Gast auf meiner Hochzeit, wir haben uns immer wieder gefragt, wie es den Kindern geht. Wir sind immer in Kontakt geblieben, auch nachdem er ins Gefängnis musste. In seinen drei Jahren Haft habe ich insgesamt 178 Briefe von ihm bekommen.
Auch, nachdem Sie 2019 ins Exil nach Litauen gegangen sind?
Ja. Diese Entscheidung hat Alexej übrigens unterstützt. Er selbst war bereit, als Symbol der Resistenz aufzutreten und sein eigenes Leben zu riskieren. Er wusste aber gleichzeitig, dass es wichtig ist, dass seine Stiftung bestehen bleibt. In Russland wären nach 2021 alle Mitglieder ins Gefängnis gekommen, dann wäre die Stiftung nutzlos gewesen. Deshalb haben wir das Büro schließlich nach Vilnius in Litauen verlegt, wo ich jetzt lebe.
Wann haben Sie Alexej Nawalny das letzte Mal gesehen?
Nach seinem Giftanschlag 2020 war ich mit ihm zusammen in Berlin. Wegen der Pandemie waren damals die Grenzen weitestgehend geschlossen. Da ich aber schon im Exil in Europa war, konnte ich relativ schnell nach Deutschland kommen und nach ihm sehen. Das letzte Mal haben wir uns aber im Januar 2021 gesehen, kurz bevor er zurück nach Russland geflogen ist. An dem Tag ist unser letztes gemeinsames Foto in einem Berliner Hotel entstanden.
Fühlen Sie sich sicher, wo Sie aktuell in Litauen leben?
Die litauischen Behörden unterstützen uns sehr. Mit ihrer Hilfe konnten wir zum Beispiel schnell die Visa für die Mitarbeiter unserer Anti-Korruptions-Stiftung besorgen. Ich war mir außerdem immer sicher, dass die litauischen Behörden schnell herausfinden würden, wenn russische Geheimagenten in Vilnius sein sollten.
Im März wurden Sie dennoch Opfer von Gewalt.
Das stimmt. Da hat mich ein Mann vor meinem Haus mit einem Hammer angegriffen. Ich glaube nicht, dass er mich töten wollte, aber er wollte mich auf jeden Fall verletzen. In solchen Momenten zweifelt man natürlich schon daran, wie sicher man wirklich ist. Ich glaube aber nicht, dass mein Angreifer ein russischer Geheimagent war. Ich glaube eher, dass Russland jemanden Drittes dafür organisiert hat. Im Dark Web findet man sicherlich irgendjemanden, der das macht, auch nur für wenige Tausend Euro.