Im Dschungelcamp wird gelogen, bis sich die Pritschen biegen. Zeit, den Lügendetektor anzuwerfen. Diese Szenen zeigen, wie dehnbar die Wahrheit in der RTL-Show ist.
Eine Kolumne von Steven Sowa (in Zusammenarbeit mit Ricarda Heil)
Zwischen 93 und 98 Prozent Genauigkeit verspricht ein solide gestalteter Polygrafentest, besser bekannt als Lügendetektor. Damit wollen wir uns nicht zufriedengeben. Das Finale von Deutschlands größter Unterhaltungsshow steht kurz bevor. Also garantieren wir nichts als die Wahrheit – zu 100 Prozent. Trotz Dschungelfieber und Lagerkoller, Bildschirm- und Herzflimmern: Hier kommt „Nur die Lüge zählt“, präsentiert von t-online.
Lüge Nummer eins: nur Mut zur Flut
Lügenbold: Twenty4tim, Tag 2 im Dschungel
„Ich habe eine Hatewelle gehabt. Das war, glaube ich, die größte Hatewelle, die ich je in meinem Leben hatte“, erzählt Tim sichtlich aufgewühlt. „Ich weiß nicht. Habt ihr mitbekommen, dass in Deutschland die Flutkatastrophe sehr stark war? Du musst dir vorstellen, in ganz Deutschland waren Überschwemmung.“ (sic!)
Es fängt schon beim Namen an: Twenty4tim. Da kann etwas nicht stimmen. Die Wahrheit ist so schnöde wie erhellend: Tim Maximilian Kampmann heißt der Junge, der derart hektische Grimassen schneiden kann, dass man glaubt, seine unzähligen, sprunghaft zusammengeschnittenen TikTok-Videos hätten auf seine Mimik abgefärbt.
Genau dieser freundliche 23-Jährige will seinen Mitstreitern im Dschungelcamp weismachen, dass „in Deutschland die Flutkatastrophe sehr stark war“. NEIN? In GANZ Deutschland Überschwemmung(en)? Gibts ja gar nicht. Aber dafür ist „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ gut. Man lernt immer noch etwas dazu. Tim jedenfalls versichert: „Ich wusste nicht, dass die Flut ein Riesenproblem in ganz Deutschland ist.“
Influencer scheinen wenig Nachrichten zu lesen und dafür umso mehr Videos zu produzieren. Denn der arme, von der Hatewelle erfasste Tim hatte seinen Millionen Followern im Sommer 2021 zur Zeit der Ahrtalflut noch zugerufen: „Wenn ihr mehr Videos von der Überschwemmung sehen wollt, dann schaut in meine Insta-Story.“ Bei so viel unverstellter Wahrheit gibt es von uns 99 von 100 Lügendetektor-Punkten.
Lüge Nummer zwei: am End‘ nur eine Ant
Lügenbaronin: Kim Virginia, Tag 12 im Dschungel
Mit der englischen Sprache ist es manchmal so eine Sache. Da kommt beim Festumzug ein Jeck mit Wortwitz-Affinität und Ameisenkostüm um die Ecke gebogen und antwortet auf die Frage, was er denn darstelle, „weak ant“ (übersetzt: schwache Ameise) und schon beginnt die Namenskatastrophe.
Passiert ist das Kim Virginia. Die eigentlich sehr gut Englisch sprechende, ehemalige Flugbegleiterin hielt den Mann mit dem humorvollen Krabbelanzug für den US-Rapper „The Weeknd“ und posaunt nun überall herum, sie habe den „Starboy“-Interpreten auch unter seinem Superanzug besser kennengelernt.
Kim: „Ich hatte mal etwas mit einem Rapper … „
Tim: „Deutsch?“
Kim schüttelt den Kopf.
Tim: „International?“
Kim nickt.
Tim: „Ich kenne nicht so viele.“
Kim: „Hört sich an wie Wochenende … “
Tim: „The Weeknd?“
Kim nickt.
Tim: „The Weeknd?“
Kim nickt wieder.
Tim: „Aber The Weeknd ist doch der von ‚I’m a motherfuckin‘ starboy‘ … “
Kim: „Ja.“
Tim: „Hä? Das ist so mit die berühmteste Person der Welt?“
Kim: „Ja, aber der war ja nicht immer so. Jetzt ist er ja Weltstar des Grauens.“
Wenn die Sache mit dem Ameiseneinteiler auffliegt, beginnt vor allem für Kim das große Grauen. Wobei wir ihr zugutehalten sollten, dass sie sich überhaupt getraut hat, im Überschwang von Karnevalsgefühlen und dem ein oder anderen Sekt ein Krabbeltier dieser Größe anzusprechen. War das womöglich ein Erweckungserlebnis für sie? Der Moment, der sie zu der Überzeugung brachte, sie könnte das Dschungelcamp überstehen?