Unser Autor kommt aus Norddeutschland und hat keinerlei Ahnung von Karneval, will am 11.11. aber mitfeiern. Ihm wurde gesagt, dass er dafür nur ein Kostüm brauche. Wenn es denn so einfach wäre.
Verkleiden ist nicht mein Ding. Halloween geht mir auf den Geist, Kostümpartys finde ich stressig und Shoppengehen ist mir eine Zumutung. Wenn ich doch mal eine Verkleidung gekauft habe, dann meist auf den letzten Drücker und mit so viel Geiz, dass es nur hässlich werden konnte. Im schlimmsten Fall bekomme ich noch einen dummen Spruch für mein Billig-Kostüm reingedrückt und würde mich am liebsten zusammen mit der Klamotte in einem alten Schrank verstecken, irgendwo auf Omas staubigem Dachboden, da geht nie jemand hin.
Auch mit Karneval habe ich nichts am Hut. Ich bin in einem Dorf im Norden Niedersachsens aufgewachsen, da gab es nur Kinderfasching. Als Erwachsener bin ich nach Berlin gezogen, da bezahlen einige Leute 500 Euro für ihre Kleidung, damit sie aussieht, als würde sie – wenn es hochkommt – 30 Euro kosten. Das ist zwar närrisch, aber immer noch kein Karneval.
Trotzdem will ich mich am 11.11. in Köln mit ins Getümmel stürzen und dafür brauche ich ein Kostüm. Also stehe ich nun hier am Freitagvormittag auf dem Hohenstaufenring vor dem Bild eines Clowns. Es ist das Logo von Deiters, und das ist, soweit ich gehört habe, der Platzhirsch in Sachen Kostümen. Da sollte sich mein kleines Modeproblem doch lösen lassen.
Nach dem Eintreten stelle ich fest, dass Deiters zwar sehr viel Auswahl hat – aber eben auch sehr viel Auswahl. Berge von Glitzerjäckchen, kilometerweise Blumenschals und gestreifte Umhänge sowie Türme von Hüten, so bunt wie Paradiesvögel. Und dann kickt meine Multi-Options-Paralyse: Vor lauter Möglichkeiten und potenziell schrecklichen Fehlentscheidungen stehe ich wie das Reh vor dem Lkw und blicke in die Scheinwerfer respektive Deckenbeleuchtung.
Freundlicherweise nimmt sich Robin Petti heute Zeit für mich. Er leitet diese Filiale und führt mich durch die drei Stockwerke mit 4.000 Quadratmetern Ladenfläche und rund 40.000 Artikeln. Herr Petti ist 29 Jahre alt, Kölner und selbst bereits ein wenig verkleidet, er trägt ein rot-weißes T-Shirt mit der Silhouette der Stadt. Am 11.11. will er auch in Rot-Weiß gehen, aber noch ein, zwei Nummern drauflegen und als Hingucker eine Paillettenhose anziehen.
Hingucker will ich auch. „Wenn schon, denn schon“, sagt man in Norddeutschland immer. Schlichte Sachen fallen also weg, knallig ist angesagt. Da ich am 11.11. nicht nur privat unterwegs bin, sondern zudem aus dem Gewühl berichten werde, rät mir Petti zu etwas Praktischem: „Die bunten Jogger, da bist du super beweglich drin und warm halten die dich auch.“
Herr Petti hat zwar recht, nach kurzer Zeit wird mir in dem Jäckchen warm, obwohl ich nur ein T-Shirt darunter trage. Und es steht mir ganz gut. Aber ich will es mir nicht zu leicht machen. Sich ganz dem Pragmatismus hinzugeben wäre wieder typisch für Norddeutschland, aber da bin ich hier nicht.
Petti und ich ziehen weiter durch den Laden. Jetzt am Vormittag ist das Geschäft noch recht leer, die Kölner seien Langschläfer, sagt er. Aus den Lautsprechern trällert der Schlager und schimpft der Rap, beides auf Kölsch, wohl zur Einstimmung auf Montag. Ich verstehe die Texte erstaunlich schlecht, dabei war ich kürzlich auf dem Münchner Oktoberfest und dachte, von nun an wäre ich jedem Dialekt des Deutschen gewachsen. Zwischendurch verstehe ich doch mal ein Lied: „Komm‘ mach die Gläser voll, als wär’s das letzte Mal.“ Es bleibt also dabei: Wenn schon, denn schon, alles oder nichts. Superkostüm, ich finde dich!