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Trotz einer hartnäckigen Verletzung tritt Nick Kyrgios bei den Australian Open an. Das Enfant terrible des Spitzentennis bringt die Fans in Melbourne zum Ausrasten. Aber nur kurz.

Aus Melbourne berichtet Christoph Cöln

Dass der Wahnsinn bei Nick Kyrgios Methode hat, wurde gleich im ersten Spiel seines Auftaktmatches gegen den Briten Jacob Fearnley klar. Das eröffnete er nämlich mit einem Doppelfehler, gleich darauf schlug er ein Ass. Dann noch eins. Und als er das Spiel eigentlich schon sicher hatte, produzierte er erneut einen Doppelfehler – worauf er wiederum ein Ass zum Punktgewinn folgen ließ. Puh.

859 Tage war der 29-Jährige vom ganz großen Tenniszirkus weg gewesen. Diverse Verletzungen hatten ihn außer Gefecht gesetzt, lange Zeit erschien es sogar, als sei seine Karriere vorbei. Nun war der „bad boy“, der „böse Junge“ des Tennissports, wieder zurück. Zum Glück, wie die meisten Tennisfans denken. Zum Glück, wie auch Kyrgios selber denkt. „Ich denke, es ist gut, dass ich wieder da bin. Es ist wichtig. Der Tennissport drohte doch, ein bisschen langweilig zu werden.“

Langweilig, so viel stand im Match gegen Fearnley nach kurzer Zeit fest, wird es mit ihm nicht. Er schickte das Publikum auf eine Achterbahnfahrt. Mal spielte er genialisch, ließ dem Gegner mit hart geschlagenen, millimetergenau platzierten Bällen keine Chance. Dann wiederum gelang ihm gar nichts.

Die Zuschauer in der John-Cain-Arena feierten den 29-Jährigen bei jedem gewonnenen Ballwechsel wie einen Artisten, der gerade seinen Kopf in ein weit geöffnetes Löwenmaul gehalten hatte. Das Waghalsige ist seine Sache, nicht die Effizienz. Das Verrückte zieht ihn an, nicht das Offensichtliche.

Zetern, Schimpfen, Fluchen. Nick Kyrgios bei den Australian Open 2025. (Quelle: IMAGO/JAMES ROSS)

Als sein Kontrahent ihm im sechsten Spiel des ersten Satzes eine gute Möglichkeit zum Break anbot, entschied Kyrgios sich nicht für den sicheren Cross ins verwaiste Feld: Er legte Fearnley lieber einen waghalsigen Stopp direkt in den Lauf. Doch der Brite war zu schnell, er erreichte die Filzkugel im letzten Moment und knallte sie Kyrgios um die Ohren.

Ob diese spielerischen Flegeleien kalkuliert sind oder doch nur Ausdruck eines quecksilbrigen Instinkts, das weiß Kyrgios offenbar selbst nicht. „Jedes Mal, wenn ich auf den Platz gehe, bin ich unsicher, ob ich nun im guten Sinne total widersprüchlich sein werde oder im schlechten“, sagte er bei der Pressekonferenz vor dem Match. Er weiß um seine Dämonen, aber er kennt sie nicht gut genug, um sie zu beherrschen. Sie spielen mit ihm, so wie er mit den Gegnern spielt. Und die manchmal auch mit ihm.

Eine vor zwei Wochen erlittene Bauchmuskelzerrung hatte Kyrgios daran gehindert, sich in Brisbane für die Australian Open einzuspielen. Es war fraglich gewesen, ob er bei seinem Heimturnier überhaupt würde antreten können. Um sich zu schonen, hatte er im Training sogar auf die Aufschläge verzichtet.

„Ich vertrage eine Menge Schmerzmittel und ich kann mich durchbeißen, auch wenn das vermutlich nicht das Klügste ist, was man tun sollte“, sagte er. Spätestens gegen Ende des ersten Satzes wurde deutlich, dass er mit Handicap spielte. Immer wieder griff er sich an den Bauch, verzog das Gesicht vor Schmerzen. Die Zuschauer spürten, dass etwas nicht stimmt. Sein Gegner spürte es auch.

Mehrfach musste sich der Australier von den Turnierärzten behandeln lassen. (Quelle: IMAGO/JAMES ROSS)

Fearnley ergriff die Chance, die sich ihm da gegen den spielerisch stärkeren Australier bot, konsequent. Er zwang Kyrgios in den Tiebreak, den er mit 7:3 gewann. Der erste Satz war weg. Bei Kyrgios stellten sich jetzt mehr von den unguten Dämonen ein. In der Satzpause diskutierte er aufgeregt mit seinem Trainerstab, fuchtelte mit den Händen und schimpfte – auf was auch immer.

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