Spezielles Szenario

Was, wenn Scholz die Vertrauensfrage doch nicht verliert?


Aktualisiert am 17.11.2024 – 11:42 UhrLesedauer: 5 Min.

Olaf Scholz (r.) und Friedrich Merz: Der Termin zur nächsten Bundestagswahl steht fest. (Quelle: imago images)

Der Termin für die Neuwahlen steht fest. Auch wann der Kanzler die Vertrauensfrage stellen will, ist bekannt. Doch es gibt ein Szenario, bei dem alles anders kommen könnte. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Sie haben sich geeinigt: Am 23. Februar 2025 soll es Neuwahlen geben, wie Union und SPD festlegten. Voraussetzung dafür ist aber, dass Scholz am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellt. Dann ist der Weg für Neuwahlen frei.

Doch wie sieht dieser Weg aus? Wann stellt der Kanzler die Vertrauensfrage im Bundestag? Was passiert danach? Und was, wenn Olaf Scholz die Vertrauensfrage doch nicht verliert? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Im Normalfall wird der Kanzler oder die Kanzlerin von der Mehrheit aller Abgeordneten im Bundestag gewählt, die zuvor eine Koalition gebildet haben. Dadurch kann er oder sie sich in der Regel auch bei Abstimmungen, etwa zu konkreten Gesetzesvorhaben, auf eine stabile Mehrheit im Bundestag stützen.

Bei einer Minderheitsregierung, wie Scholz sie nun vorübergehend führt, ist die Situation allerdings anders. Die Regierung muss für jedes einzelne Gesetzesvorhaben aktiv um die Unterstützung einzelner Parteien oder Fraktionen werben, um die erforderlichen Mehrheiten zu sichern. Daher ist offen, welche Vorhaben Scholz jetzt noch durch den Bundestag bekommt.

Am 11. Dezember werde Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage zunächst schriftlich stellen, teilte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in Berlin mit. Am 16. Dezember soll dann der Bundestag über die Vertrauensfrage abstimmen, erklärte der Sozialdemokrat außerdem.

Scholz wollte die Vertrauensfrage ursprünglich am 15. Januar stellen, um eine Neuwahl Ende März herbeizuführen. Nach öffentlichem Druck ging er dann aber auf einen Kompromiss ein.

Die Abgeordneten im Bundestag sprechen dem Kanzler in einer nicht-namentlichen Abstimmung das Vertrauen aus – oder entziehen es ihm.

Sollte sich eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gegen Kanzler Scholz aussprechen, liegt der sprichwörtliche Ball bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Denn in Artikel 68, Absatz 1 des Grundgesetzes steht: „Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen.“

Mehr zur Funktionsweise der Vertrauensfrage lesen Sie hier.

Nachdem der Bundestag dem Kanzler das Vertrauen entzogen hat und der Bundespräsident das Parlament aufgelöst hat, gibt das Staatsoberhaupt in einem Zug den Termin für die Neuwahlen bekannt. Diese müssen laut Artikel 39 des Grundgesetzes innerhalb von 60 Tagen stattfinden.

Für diese Neuwahlen haben sich Union und SPD auf den 23. Februar verständigt. Die Bundesregierung bleibt derweil geschäftsführend im Amt – bis ein neuer Kanzler gewählt und seine Ministerinnen und Minister ernannt sind.

Friedrich Merz: Bei den Neuwahlen hat er die besten Chancen auf die Kanzlerschaft. (Quelle: IMAGO)

Dass ein Bundeskanzler im Bundestag die Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetz stellt, ist in der Geschichte der Bundesrepublik erst fünfmal vorgekommen. Zweimal (November 2001 und Juli 2005) griff Gerhard Schröder (SPD) zu diesem Mittel. Davor stellten Willy Brandt (SPD) im September 1972, Helmut Schmidt (SPD) im Februar 1982 und Helmut Kohl (CDU) im Dezember 1982 die Vertrauensfrage.

Der Bundeskanzler kann die Vertrauensfrage allein oder aber in Verbindung mit einer konkreten Sachentscheidung stellen. Letzteres gab es bislang nur einmal: 2001 stellte die Bundesregierung den Antrag auf Entsendung deutscher Streitkräfte für den von den USA angeführten Kampf gegen den internationalen Terrorismus im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ in Afghanistan. „In Verbindung mit der Abstimmung zum Antrag der Bundesregierung (…) stelle ich den Antrag nach Artikel 68 Abs. 1 des Grundgesetzes“, hieß es in einem weiteren Antrag von Kanzler Schröder.

Vier Jahre später verzichtete er auf eine Verknüpfung mit einer konkreten Sachfrage. Sein Antrag lautete damals: „Gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle ich den Antrag, mir das Vertrauen auszusprechen. Ich beabsichtige, vor der Abstimmung am Freitag, dem 1. Juli
2005, hierzu eine Erklärung abzugeben.“ Schröder zog damals die Konsequenzen aus einer Reihe bitterer SPD-Niederlagen bei Landtagswahlen und aus dem starken Widerstand in der eigenen Partei gegen die Hartz-IV-Reformen.

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