Ein innovativer Ansatz verspricht Diabetikern große Erleichterung: die hochfrequente Rückenmarkstimulation. Dabei geht die Therapie weit über die Behandlung von Schmerzen hinaus.
Typ-2-Diabetes ist schon lange keine Alterskrankheit mehr. Weltweit hat sich die Zahl der Menschen mit dieser ernsten Stoffwechselerkrankung in den letzten zwei Jahrzehnten vervierfacht. Allein in Deutschland leben über acht Millionen Menschen mit Diabetes. Eine weitverbreitete Komplikation eines Diabetes ist die sogenannte diabetische Neuropathie. Etwa ein Viertel aller Diabetiker ist von dieser oft schmerzhaften Nervenerkrankung betroffen. Orale Schmerzmittel können in einigen Fällen helfen, bringen aber auch Nebenwirkungen mit sich.
Eine recht neue Alternative ist die hochfrequente Rückenmarkstimulation. Sie kann bei Menschen mit schmerzhafter diabetischer Neuropathie und Typ-2-Diabetes Schmerzen anhaltend lindern sowie die Blutzuckerwerte (HbA1c) und das Körpergewicht langfristig verbessern. Das hat das Medizintechnik-Unternehmen Nevro in einer aktuellen Studie herausgefunden. Die Studie wurde im Fachjournal „Pain Research“ veröffentlicht.
Die diabetische Neuropathie kann die Lebensqualität von Betroffenen erheblich beeinträchtigen, da sie neben Schmerzen Symptome wie Taubheit, Kribbeln, Gleichgewichtsstörungen und eine verringerte Reaktionsfähigkeit hervorruft. Bei der peripheren Neuropathie zeigen sich die Beschwerden in den Gliedmaßen, vor allem in den Füßen und Beinen, seltener auch in Händen und Armen. Bei der vegetativen Neuropathie sind hingegen Nerven betroffen, welche die Organe im Körper steuern.
Da orale Schmerzmittel nicht bei allen Menschen wirksam sind und Nebenwirkungen verursachen können, leiden Menschen mit diabetischer Neuropathie häufig unter einer deutlich verringerten Lebensqualität. Auch Schlafstörungen, Depressionen und Angstzustände können aus der Erkrankung resultieren.
In der Studie wurden 144 Patienten mit Typ-2-Diabetes und therapieresistenter diabetischer Neuropathie untersucht. Über einen Zeitraum von 24 Monaten erhielten sie eine hochfrequente Rückenmarkstimulation mit Stromimpulsen von zehn Kilohertz. Über diesen Zeitraum wurden Änderungen in der Schmerzintensität, Blutzuckerwerten, Körpergewicht und Schlafqualität dokumentiert.
„Dies ist die erste Studie zur SCS (spinal cord stimulation; englisch für hochfrequente Rückenmarkstimulation), die zeigt, dass die Rückenmarkstimulation bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie und Typ-2-Diabetes langfristige und klinisch bedeutsame Verbesserungen von HbA1c und Gewicht ermöglicht – was auf mögliche metabolische Vorteile der 10-kHz-SCS für diese Patienten hinweist“, sagte Dr. David Klonoff, medizinischer Direktor des Diabetes Research Institute im Mills-Peninsula Medical Center in Burlingame (Kalifornien, USA) und Mitautor der Studie.
Den primären Vorteil auf das Schmerzempfinden von Betroffenen hatte bereits eine Vorgängerstudie mit 220 Probanden gezeigt. Die aktuelle Studie hat dieses Ergebnis erneut bestätigt.
Für die Rückenmarkstimulation braucht es zwei Komponenten: einen Neurostimulator und Elektroden. In einem minimalinvasiven Eingriff implantiert ein Neurochirurg die Elektroden direkt auf das Rückenmark. Der Neurostimulator dient der Erzeugung programmierter elektrischer Impulse. Er ist unter der Haut mit den Elektroden verbunden. Über diese Elektroden wird der Strom auf das Rückenmark geleitet. Dadurch verändert sich die Entstehung und Verarbeitung von Schmerz im Körper, und Patienten nehmen Schmerzen allgemein schwächer wahr. Den Strom spürt der Patient als feines, angenehmes Kribbeln.