Marc-André ter Stegen ist endlich am Ziel und die Nummer eins der deutschen Nationalmannschaft. Damit endet eine lange Warte- und Leidenszeit.
Nach gut zehn Minuten war das Training für ihn vorbei in der geschlossenen Amsterdamer Arena. Niclas Füllkrug musste früher vom Platz, Probleme „an der Achillessehne beim Übergang zur Wade“ machen dem Stürmer von West Ham zu schaffen, wie Bundestrainer Julian Nagelsmann bereits zuvor auf der obligatorischen Pressekonferenz mitgeteilt hatte.
Ein Einsatz des Stürmers gegen die Niederlande am Dienstagabend (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei t-online) ist damit mehr als unwahrscheinlich. Für ihn könnte Dortmunds Maximilian Beier oder Stuttgarts Deniz Undav starten. Ansonsten wollte der Bundestrainer am Montag nicht sonderlich viel über die Aufstellung gegen den Nachbarn preisgeben. Möglich, dass Nagelsmann also fast mit derselben Elf beginnt wie beim Kantersieg über Ungarn (5:0) am Samstag.
Während es also im Sturm noch ein Rätsel zu lösen gibt, ist die Frage nach dem Schlussmann keine, die gestellt werden muss. Marc-André ter Stegen wird gegen Ungarn das Tor hüten. Dann zum zweiten Mal als feste Nummer eins. Ganz ohne Sorge, den Platz zeitnah wieder abtreten zu müssen. Die lange Warte- und Leidenszeit ist endgültig vorbei.
Vor mehr als 12 Jahren hatte ter Stegen einst sein Debüt gefeiert. Der Nationaltrainer hieß damals Joachim Löw, der Gegner war die Schweiz. Mit 3:5 verlor die DFB-Elf den Test wenige Tage vor der EM in Polen und der Ukraine. Für ter Stegen, damals frisch 20 Jahre alt geworden, ein denkbar undankbares Debüt.
Hätte ihm damals jemand gesagt, dass er noch über ein Jahrzehnt warten müsse, um die Nummer eins beim DFB zu werden, vermutlich hätte er die Flucht ergriffen – und niemand hätte es ihm verübeln können. Dass ter Stegen am Dienstag nun das Tor hüten wird, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das weiß auch der Trainer. „Ich bin sehr froh, dass er da ist. Er ist ein ganz wichtiger Spieler für uns. Als wir ihm im März mitgeteilt haben, dass Manuel die EM spielt, hatte ich schon kurz Bedenken, ob er das mitmacht“, teilte Nagelsmann am Montag offen mit, Sorge vor einem Rücktritt ter Stegens vor der Europameisterschaft gehabt zu haben.
Die Ausdauer und Geduld seines Schlussmanns nötigen Nagelsmann Respekt ab. „Es ist immer schwer, wenn du auf Jahre die Nummer zwei bist, dich so reinzuspielen. Da musst du erst mal so lang dranbleiben, das hat er gemacht“, lobte er den 32-Jährigen. So ganz losgeworden ist er den Status als Nummer zwei allerdings weiterhin nicht. Lediglich Pascal Groß (Jahrgang 1991) ist älter, an zweiter Stelle folgt ter Stegen. Logisch, dass der Bundestrainer auch auf die Erfahrung des früheren Gladbachers im Mannschaftsrat setzt. Neben ter Stegen komplettieren Groß, Jonathan Tah und Niclas Füllkrug den Rat.
Für ter Stegen selbst ist die neue Situation ebenfalls eine Erleichterung. „Ich bin natürlich froh, dass die Zeit des Wartens, oder wie man es beschreiben möchte, vorbei ist“, hatte der 32-Jährige bereits im Teamquartier in Herzogenaurach vergangene Woche gesagt. Vergleichen mit seinem Vorgänger, zu dem er trotz jahrelanger Rivalität ein ordentliches Verhältnis zu pflegen scheint, versucht er jedoch aus dem Weg zu gehen.
Dass die Situation für den Schlussmann des FC Barcelona eine frustrierende war, verschwieg er nicht. Beim 5:0 gegen Ungarn in Düsseldorf, unweit von ter Stegens Geburtsort und früherem Klub Mönchengladbach, waren etliche Wegbegleiter und Freunde ter Stegens im Stadion. „Das war etwas sehr Besonderes. Die engsten Leute, die einem immer den Rücken gestärkt haben, bei einem zu wissen. Das freut einen extrem“, so ter Stegen, der sich nun komplett auf sich und sein Torwartspiel konzentrieren kann.
Möglicherweise wird die ein oder andere vertraute Person auch am Dienstag in der Amsterdamer Johan-Cruyff-Arena zugegen sein. Für ter Stegen wird das Duell mit dem EM-Halbfinalisten dann der erste Härtetest als echte Nummer eins im DFB-Dress.