Die AfD gilt zu Recht als rechtsextremistischer Verdachtsfall, sagt die Justiz. Doch sollte die Politik nun auch ein Parteiverbotsverfahren anstreben?
Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster im Verfahren der AfD gegen den Verfassungsschutz nimmt die Debatte um ein Parteiverbot wieder Fahrt auf – auch in den Ampelfraktionen im Bundestag.
Der frühere Hamburger Justizsenator und Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Till Steffen, sprach sich dafür aus, einen AfD-Verbotsantrag jetzt gründlich zu prüfen. „Das Urteil ist ein sehr wichtiger Bestandteil für die Materialsammlung, die es für die Prüfung eines AfD-Verbotsantrags braucht“, sagte Steffen t-online.
Das OVG hatte am Montagmorgen bestätigt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Damit darf der Verfassungsschutz weiterhin nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung der Partei einsetzen. Die AfD will in die nächste Instanz ziehen.
Die Linken-Innenpolitikerin Martina Renner fordert nun einen AfD-Verbotsantrag. „Es ist Zeit, jetzt zu handeln und in einem breiten Konsens der Demokratinnen und Demokraten im Bundestag einen Verbotsantrag auf den Weg zu bringen“, sagte Renner t-online. „Ein solcher Antrag ist die Selbstverteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde.“
Kommt es zum Schulterschluss?
Mehrere Politikerinnen und Politiker hatten das Verfahren am OVG Münster zuletzt als entscheidend für die Frage bewertet, ob ein Antrag sinnvoll ist oder nicht. Viele wünschen sich einen möglichst umfassenden Schulterschluss der demokratischen Parteien für einen Verbotsantrag.
Grünen-Justizexperte Till Steffen sagte, die Innenministerien von Bund und Ländern hätten den umfassenden Überblick über die Erkenntnisse zur AfD. Die Materialsammlung müsse dann „anhand der Kriterien des Bundesverfassungsgerichts nüchtern von Expertinnen und Experten bewertet werden“.
Steffen betonte: „Sollte es nach dieser Bewertung genügend Nachweise für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD geben, sollte der Antrag auch gestellt werden.“
Renner: „Ein Auftrag an die Politik“
Linken-Innenpolitikerin Martina Renner sagte, die Demonstrationen nach den „Correctiv“-Recherchen zum „Remigrations“-Treffen und den Angriffen auf Politiker sowie die Entscheidung des OVG seien „ein Auftrag an die Politik“. Sie plädierte für ein Vorgehen über die Länder, die im Bundesrat einen Verbotsantrag stellen könnten.
Renner sagte, die Bremer Regierungsfraktionen hätten bereits angefangen: „Sie fordern den Bremer Senat auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, so schnell wie möglich ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen und gegebenenfalls einzuleiten. Weitere Landesregierungen sollten diesem Schritt folgen und so den Druck erhöhen.“ Der Landesparteitag der Linken in Thüringen habe beschlossen, dem Bremer Beispiel zu folgen.
Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) fordert ebenfalls eine Initiative der Länder. Das Urteil stärke die wehrhafte Demokratie, sagte sie dem „Tagesspiegel“. „Nun muss die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens konkret erfolgen.“
Die Grünen-Politikerin schlug vor, dass die Innenministerkonferenz eine Taskforce beauftragt, um das Material für einen Verbotsantrag zu sammeln. Anschließend soll die Taskforce nach ihren Vorstellungen die Erfolgsaussichten eines Verfahrens bewerten.
Wanderwitz will Antrag vor der Sommerpause
Der frühere Ostbeauftragte und sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz hingegen arbeitet weiter daran, im Bundestag einen Verbotsantrag zustande zu bringen. „Mein Wunsch ist es, dass wir den Verbotsantrag noch vor der parlamentarischen Sommerpause einbringen“, sagte er „Zeit Online“. Das Urteil von Münster sei dafür ein „weiterer Meilenstein“.
Wanderwitz kritisierte die Zurückhaltung der Fraktionsspitzen im Bundestag. „Ich würde mir bei den Fraktionsführungen mehr Liebe für das Thema wünschen.“ Im Zweifel will er auf deren Rückhalt aber nicht warten. „Wenn die Fraktionen nicht springen, dann springen wir.“ Wanderwitz will dann einen fraktionsunabhängigen Gruppenantrag im Bundestag einbringen.
Für einen Verbotsantrag im Bundestag braucht es fünf Prozent der Stimmen, also 37 Abgeordnete.