Bricht jemand nach Jahren sein Schweigen? Führen neue Kriminaltechniken zu heißen Spuren? Das Kriminalkommissariat hat die Ermittlungen in 42 „Cold Cases“ aufgenommen.

Als manche Taten begangen wurden, stand die Berliner Mauer noch, Helmut Schmidt war Kanzler und das Internet nicht massentauglich. Lange her, aber nicht zu lange, um die Fälle neu aufzurollen. Dabei handelt es sich um „Cold Cases“, die eigentlich als „ausermittelt“ galten, bei denen verbesserte Kriminaltechnik oder neue Erkenntnisse aber jetzt wieder zu heißen Spuren führen könnten.

Das Dortmunder Kriminalkommissariat 11 (KK11) rollt mit einer eigenen Ermittlungsgruppe 42 solcher Fälle wieder auf. „Eigentlich muss man von ‚old case‘ anstatt von ‚cold case‘ sprechen, denn kalt lassen uns die Taten auch Jahrzehnte später nicht“, sagt Kriminalhauptkommissar Carsten Philipps bei der Vorstellung ausgewählter Fälle.

Ermittler aus dem Ruhestand geholt

Das Landeskriminalamt hat mithilfe von erfahrenen Ermittlern, die aus dem Ruhestand zurückgekehrt waren (sogenannte „Senior Experts“), landesweit mehr als 1.000 „Cold Cases“ zwischen den Jahren 1970 und 2015 ausgemacht. Besonders interessant ist für die Ermittler, ob sich eine Tat vor 1990 oder danach ereignet hat. „Das ist der Zeitpunkt, in dem sich die Kriminaltechnik in Bezug auf die DNA maßgeblich verändert hat“, erklärt Philipps. Jetzt widmet sich das KK11 mit besonderem Fokus den ungeklärten Tötungsdelikten, die sich zwischen 1970 und 1989 ereignet haben. Auf das Dortmunder Stadtgebiet entfallen 27 der 42 „Cold Cases“.

„Bissiger“ Ermittler leitet das Team

Die Ermittlungsgruppe soll sich ab Montag (15. Januar) an die Arbeit machen. Laut Polizei handelt es sich um ein heterogenes Team – erfahrene Ermittler, teilweise aus dem Ruhestand zurückgeholt, ermitteln mit jungen Mordermittlern. Auch ein Kriminaltechniker gehört zum Team, das von Kriminalhauptkommissar Gregor Schmidt geleitet wird. Ihn nennt Philipps einen „bissigen“ Ermittler. Im engen Austausch steht das Team mit Staatsanwältin Gülkiz Yazir, die erinnert: „Mord verjährt nicht.“

Der älteste Fall, den die Ermittler aktuell neu angehen, ereignete sich 1966. Damals war eine griechischstämmige Frau getötet worden. Akten mit ungelösten Fällen würden nie für immer weggelegt, sagt Yazir, sondern laufend auf neue Ermittlungsansätze hin geprüft. Das KK11 ist sich sicher: „Weiter zu ermitteln, sind wir den Opfern und den Hinterbliebenen schuldig, die mit dem Schicksal nach den schrecklichen Ereignissen leben müssen.“

Zeugen neu vernehmen

Mit gebündelten Ressourcen will sich die Ermittlungseinheit nun an die Arbeit machen, etwa Zeugen und Angehörige erneut vernehmen. In manchen Fällen haben sich mögliche Zeugen ergeben, die der Polizei vorher nicht bekannt waren. Ebenso sollen etwa Asservate ein weiteres Mal untersucht und auf DNA-fähiges Material analysiert werden. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die zur Tatzeit noch nicht zur Verfügung standen. Auf diese Weise ist es den Ermittlern in der Vergangenheit gelungen, den Mord an der Schülerin Nicole Denise Schalla zu lösen, die in der Nähe ihres Elternhauses erwürgt worden war. Ihr Mörder war 2021 verurteilt worden – mehr als 27 Jahre nach der Tat.

Auf ähnliche Erfolge hofft die Polizei im Fall der getöteten Heike Kötting, die im Februar 1991 in ihrer Wohnung in Dortmund-Scharnhorst gefunden wurde. Die Frau hatte sich zuvor von ihrem Partner getrennt und größere Mengen Bargeld im Haus aufbewahrt. Weil bei Heike Kötting wenige Tage vor der Tat eingebrochen worden war, hält die Polizei es für möglich, dass jemand dem Täter einen Tipp gab. Sie geht von mindestens zwei Tätern aus.

Spuren des Fluchtfahrzeugs führen nach Frankreich, denn der rote Fiesta von Heike Kötting wurde bereits drei Tage nach der Tat auf einem Parkplatz an der Autobahn Paris gefunden. „Wie konnten die Täter von einem Autobahnplatz weiterflüchten?“ und „Warum wurde Heike Kötting fast schon übertötet?“ Fragen, die die Ermittler der Cold-Case-Einheit jetzt beschäftigen.

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