Kölner Drogenkrieg
Möglicher Verräter fürchtete mächtigen Drogenboss
21.05.2025 – 14:40 UhrLesedauer: 4 Min.
Der erste große Kölner Drogenprozess spitzt sich zu. Im Fokus: Eine brisante Aussage des mutmaßlichen Verräters Aymen G.
Es ist Anfang Juli 2024, als Aymen G. überraschend sein Schweigen bricht. Der Mann, der mutmaßlich zum Auslöser des Kölner Drogenkriegs wurde, möchte kurz nach seiner Festnahme mit der Polizei sprechen. Ausdrücklich ohne Rechtsanwalt. In den darauffolgenden zwei Tagen wird sich Aymen G. umfassend zu den Machenschaften der Drogenbande aus Köln-Kalk äußern, deren Taten die Stadt über Monate verängstigten und terrorisierten.
So schildert es eine Polizeibeamtin, die am Mittwoch (21. Mai) in dem bisher größten der Kölner Drogenprozesse aussagen soll. In dem Verhör gibt G. teilweise detailliert Auskunft über die Beteiligten der Drogengeschäfte, nennt genutzte Fahrzeuge oder erinnert sich an Ereignisse unmittelbar vor dem spektakulären Raub von rund 350 Kilogramm Marihuana. Er selbst spielt dabei laut eigener Aussage allerdings nicht die Hauptrolle, die ihm die Anklage unterstellt.
„Er sagte, er sei leichtgläubig und naiv gewesen. Als netter Mensch hätte er gerne Freunden und Bekannten seine Transporter geliehen, um zu helfen“, resümiert die Ermittlerin die Aussagen des Angeklagten vor Gericht. Aymen G. habe als Paketbote gearbeitet und parallel mehrere Transporter vermietet. Darunter auch das Fahrzeug, das er regelmäßig für seine Arbeit nutzte.

In einer Bar in Köln-Mülheim habe er Ilias E. kennengelernt. Die beiden Männer freundeten sich schnell an, Aymen G. fuhr seinen neuen Freund gelegentlich durch das Kölner Umland oder holte ihn aus dem Fitnessstudio ab. Geld wollte er dafür nie haben. Dass es bei diesen Fahrten nicht immer um legale Geschäfte ging, ahnte der Angeklagte laut seiner Vernehmung bei der Polizei. „Wenn wir angehalten werden, werde ich direkt auf dich zeigen“, soll G. zu Ilias K. einmal gesagt haben.
Heroin, Crack, Kokain: Kölner Drogenbande dealt in großem Stil
Ilias E. gilt als einer der wichtigsten Männer der Kölner Drogenbande. Er soll Bandenchef Sermet A. direkt unterstellt gewesen sein und Kokain und Marihuana aus den Niederlanden organisiert haben. Laut Aymen G. soll er zudem Verwandtschaft in Belgien haben. G. hatte demnach nahezu ausschließlich Kontakt mit Ilias E., kannte aber auch weitere Mitglieder der Drogenbande.
Demnach wusste Aymen G auch, dass sein neuer Freund schon einmal Schwierigkeiten wegen Drogengeschäften hatte. Nach einem aufgeflogenen Drogentransport soll er in Frankreich in Haft gesessen haben. Aymen G. vermutete laut Polizeivernehmung, dass Ilias E. mit Marihuana dealte. Von anderen Drogen, wie etwa Crack. Heroin oder Kokain, wusste er laut eigener Aussage nichts.
Als sich Ilias E. einmal seinen Transporter auslieh und diesen nicht zurückbrachte, fuhr Aymen G. zum Drogenversteck in Hürth. Dort sah er laut eigener Darstellung, wie die 700 Kilogramm Marihuana, versteckt zwischen Nacho- und Chipstüten, aus einem Lkw mit polnischen Kennzeichen geladen wurden. „Er gibt zu, beim Ausladen geholfen zu haben. Ansonsten hätte er nie Kontakt zu den Drogen gehabt“, berichtet die Ermittlerin weiter.
Kurz darauf überfielen Unbekannte die Lagerhalle nahe der Kölner Stadtgrenze, bedrohten Wachleute mit Maschinenpistolen und stahlen 350 Kilogramm Marihuana. Aymen G. soll den Dieben vorher einen Tipp gegeben haben – er selbst äußert sich dazu bei der Polizei nicht. Stattdessen hätte er nur seinen Transporter wiederhaben wollen, den er für seine Arbeit gebraucht habe.
Kölner Bandenboss Sermet A.: Er soll selbst eigene Leute gefoltert haben
Dabei kommt es auch zu einem Telefonat mit dem Mann, den Aymen G. fürchtet. Sermet A., von der Staatsanwaltschaft als „Schlüsselfigur“ im Drogenkrieg betitelt, will mit G. über die Rückgabe des Transporters sprechen. Aymen G. bezeichnet ihn als „skrupellos“ und „asozial“, fürchtet sich vor den Methoden des Drogenbosses. Er soll auch nicht dafür zurückgeschreckt haben, seine eigenen Leute zu foltern. Für hundertprozentige Loyalität.
Woher Aymen G. all diese Dinge weiß, ist unklar. Denn laut eigener Aussage hatte er nichts mit den Drogengeschäften zu tun. Dennoch zeichnet er den Ermittlern bei seiner Vernehmung eine Art Stammbaum der Drogenbande auf, schreibt zudem eine Liste mit genutzten Fahrzeugen – teilweise sogar mit Angaben zu den Kennzeichen. Vor allem in den Tagen um den Marihuana-Raub werden die Aussagen des Angeklagten zudem schwammig.