Allein in diesem Jahr haben SAP-Aktien rund 60 Prozent an Wert gewonnen. Damit haben sie ein hohes Gewicht im Dax, ein zu hohes nach den Regularien der Deutschen Börse. Was bedeutet das für das Unternehmen und seine Aktionäre?
Erfolg, der Grenzen kennt: Nach den Regularien der Deutschen Börse soll keine Aktie im Deutschen Aktienindex Dax gemessen am Börsenwert mehr als 15 Prozent Gewicht haben. Bei dieser Schwelle liegt die sogenannte Kappungsgrenze. Erst in diesem Frühjahr war sie angehoben worden, von 10 auf 15 Prozent. Weil vor allem ein Titel immer wieder oben anstieß: SAP.
Allein in diesem Jahr legte die Aktie des Softwareherstellers aus Walldorf in Baden-Württemberg fast 60 Prozent zu – und stieg zuletzt bis auf knapp 216 Euro. An der Börse ist das Unternehmen 242 Milliarden Euro wert und damit das mit Abstand teuerste im Dax. Wird SAP Opfer des eigenen Erfolgs? Zieht sich das Unternehmen womöglich aus dem deutschen Leitindex zurück, damit der Börsenkurs weiter steigen kann?
Eine Aktie bekommt dann immer mehr Gewicht in einem Index, wenn sie stärker steigt als der Index oder weniger stark fällt. Bei SAP ist ersteres der Fall: Die Aktie schlägt den Dax um Längen. SAP-Aktien sind in diesem Jahr rund 70 Prozent gestiegen, der Dax um rund 16. SAP-Anteile sind also immer wertvoller geworden und haben damit ein immer größeres Gewicht im Dax bekommen. Mehr als die vorgegebenen 15 Prozent.
Mit diesem Deckel dachte die Deutsche Börse als Index-Betreiber, genug Luft nach oben gelassen zu haben. International sind 15 Prozent Einzelgewicht pro Aktie durchaus gängig: So viel dürfen auch Aktien zum Beispiel in Frankreich auf die Börsenwaage bringen, in der Schweiz 20 Prozent, in den USA im S&P 500 gibt es keinen Deckel. Und genau dort zeigt sich das Problem: Zehn Prozent der Unternehmen etwa im S&P 500 bestimmen nahezu die Marktentwicklung.
Das verzerre das Ergebnis, monieren Fondsmanager. Doch an der Börse in Deutschland ist SAP sozusagen nun Opfer des eigenen Erfolges: Die Aktie steigt und steigt. Hat sie mehr als 15 Prozent Gewicht im Dax, muss sie zurückgestutzt werden. Das heißt: Fonds, die einen Index wie den Dax ganz genau nachbauen, müssen in dem Fall SAP-Aktien verkaufen, ob sie wollen oder nicht, um die Balance im Index zu gewährleisten.
Publikumsfonds dürfen in Europa ohnehin maximal zehn Prozent des Vermögens in ein einzelnes Investment stecken. Doch die Aktien liefen in diesem Jahr bis dato überdurchschnittlich gut. Und Verkauf bedeutet: Der Kurs sinkt.
Das ist nicht im Sinne des Unternehmens und seiner Aktionäre. Aber was nun? Eine weitere Anhebung der sogenannten Kappungsgrenze von 15 auf 20 Prozent oder mehr ist keine Lösung. Schließlich soll man Geldanlagen breit streuen. Wenn dann eine Aktie 20 Prozent in einem Index an Gewicht haben dürfte, wäre diese breite Streuung von vornherein nicht mehr gewährleistet. Siehe USA.
Eine andere Möglichkeit: SAP könnte darüber nachdenken, den Dax zu verlassen. Denn Fonds, die den Dax akkurat abbilden, müssen nun die gut laufenden SAP-Aktien verkaufen. Ein Vorbild gibt es dazu: Linde. Der Industriegase-Hersteller hatte das gleiche Problem wie der Software-Produzent: Die Aktie lief zu gut, nahm immer mehr Gewicht im Dax ein. Im Februar 2023 zog Linde die Reißleine, verließ den Leitindex und ist fortan in New York notiert.
Seitdem hat die Aktie weitere 30 Prozent an Wert gewonnen. Schließlich wird sie nicht mehr nach den Regeln der Deutschen Börse alle drei Monate zurückgestutzt. Nun ist es ja aber nicht so, dass SAP ein Schnäppchen wäre. Die Aktie wird mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 30 bewertet. Das ist vergleichsweise teuer – auch im internationalen Maßstab üppig gestiegener Technologie-Aktien. Natürlich könnte es sein, dass der Aktienkurs von SAP wieder nachgibt. Dann löst sich das Problem Kappungsgrenze von allein – zumindest zeitweise.